: Illustrierte Bremer Zeitschriften-Revue (7)
Draußen schlappt eine ältere Dame übers Pflaster. Jogginghosen, Anorak. Links eine Stange Klopapier unterm Arm, rechts die Tüte von Fa. Tengelmann. Es peitscht der Dauerherbst, der bremische, es greint der Alltag. Hosen flattern unschön. Jetzt „Brillant“ aufschlagen, rasch!
Und schon plumpst der Leser in die schönste Juwelierreklame. Wird umschmeichelt von gedeckten Schwarzbrauntönen, darauf drapiert sind – zwei Brillanten. Was denn sonst! In „Brillant“ („Das Gesellschaftsmagazin aus Bremen“) nämlich soll alles glänzen, soll Bremen schimmern und scheinen – kurz: brillieren. So ist's der Vorsatz von Frau Sigrid Hirt. Sie trägt keine Joggingshosen und fungiert stattdessen als „Herausgeberin und Verlegerin“ der Bremer Vierteljahresschrift.
Als solche schreibt sie uns ins Editorial, warum die Bremer Gesellschaft „Brillant“ braucht: Aufgabe sei es, „das Renommee der Stadt und damit die Anziehungskraft für Besucher aus dem weiten Umland zu stärken.“ Und dies sei ein „übereinstimmendes Vorhaben“ von „Brillant“ und den City-Kaufleuten.
Wie aber stärkt man Renommee? Indem man's aufpoliert. Oder hübsch verkleidet. Beides vermag der „Brillant“-Verlag wie kein anderer in Bremen. Noch die fadesten Sektempfänge in öden Schickimicki-“Brillenateliers“ werden da kunstvoll präsentiert. Wer wem das Händchen schüttelte und wer die topglosslackierten Hamsterbäckchen ins Blitzlicht hielt – all das wird dezent in schmucke Goldrähmchen gefaßt, auf satte Silberfolie gedruckt. Dank sei dem Erfinder des „Luxo Magic“-Glanzpapiers!
Noch die entlegensten Ecken unseres Alltags werden so auf Hochglanz getrimmt. Sei's in einer Reportage über Oldenburg („Der Charme der alten Residenz“); sei's in einer ganzseitigen Anzeige für „Ilse Moden“ (mit dickem Goldrahmen drumrum). Auch, wenn die prachtvolle Verpackung mal nicht zum matten Inhalt passen will. Kulturelle Spitzlichter setzt der ewig rührige Simon Neubauer: Der Emeritus der Bremer Feuilletonisten darf hier in allen Sparten, allen Medien brillieren. Nur nicht allzu kritisch. Da sei die nächste Theateranzeige vor! So müssen sie alle immerfort grinsen und glänzen: die Kulturmenschen, die Inserenten und ihre Models. Und keines trägt Joggingshosen. Hören Sie, da draußen, auf der Straße! tw
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