■ Wirtschaftssanktionen gegen Rußland sind unsinnig: Eiertanz vor dem größeren Übel
Wie straft man Rußland für den Tschetschenien- Krieg, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden? In Deutschland jedenfalls traut sich kein Politiker zu einer Reaktion, die auch nur annähernd in einem Verhältnis zu dem Blutbad in Grosny stünde. Da fordern zwar Oppositionsabgeordnete, den Russen den Geldhahn zuzudrehen – und unterschlagen dabei, daß der seit dem Ende der Präsidentschaft Gorbatschows nur mehr tröpfelt. Seit Ende 1991 gab es an direkter deutscher Hilfe für Rußland Geld, um die russischen Soldaten aus Deutschland hinauszukomplimentieren, und Hermes-Kredite, um den (ost)deutschen Exporteuren das Geschäftsrisiko zu ersparen. Daneben bezahlte Bonn im Rahmen sogenannter technischer Hilfe noch den einen oder anderen Wirtschaftsberater – Summen, die im Peanuts-Bereich liegen.
Geld, das man streichen will, müßte man zuvor gewährt haben. Die Europäische Union hat ihre Hilfsprogramme auf Eis gelegt, doch sind sie ohnehin so langfristig angelegt, daß eine Verzögerung um einige Wochen kaum auffallen wird. Die einzigen Kredite, die in diesem Jahr zur Auszahlung an Rußland anstehen, sind zweimal sechs Milliarden Dollar vom Internationalen Währungsfonds, über die derzeit in Moskau verhandelt wird – nicht zum erstenmal übrigens, denn Rußland hat es bislang nie geschafft, die damit verküpften wirtschaftlichen Bedingungen zu erfüllen.
Als ernstzunehmende Wirtschaftssanktion bliebe deutschen Politikern nur ein Handelsembargo, am besten gemeinsam mit der EU und den USA. Das würde wirken, vermutlich sogar dramatisch: Als erstes wären die Lebensmittelmärkte in den russischen Städten leer gefegt, denn auf ihnen werden heute vorwiegend Importwaren angeboten, russische Lebensmittel sind Mangelware. Als zweites fehlten Rußland Deviseneinnahmen aus dem Gas- und Ölexportgeschäft – die ohnehin wackeligen Grundlagen der Volkswirtschaft gerieten endgültig aus den Fugen.
Vor dieser Situation fürchten sich die russischen Reformer mit gutem Grund. Ein wirtschaftlicher Zusammenbruch und die politische Isolation Rußlands würde ihnen am wenigsten und den Schirinowskis am meisten nützen. Leider bleibt in dieser Situation deutschen Politikern nichts anderes übrig, als diplomatischer Eiertanz, wie ihn Rexrodt gerade auf St. Petersburger Parkett vorführte: Euer Krieg ist barbarisch, aber die Wirtschaftsbeziehungen bauen wir aus. Das ist schwer genug erträglich. Dazu allerdings muß man mit Jelzin nicht notwendigerweise demonstrativ befreundet sein. Donata Riedel
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