: „Mißachtung der Menschenrechte durch alle“
■ „amnesty international“ kritisiert sowohl Regierung wie Rebellen in Sudans Bürgerkrieg / „Millionen Menschen im eigenen Land auf der Flucht“
Berlin (taz) – „Die Bodentruppen fielen in die Dörfer ein, feuerten wahllos Schüsse ab und töteten Hunderte von Zivilisten. Sofern sich noch junge Männer in der Ortschaft befanden, wurden diese oftmals an Ort und Stelle exekutiert. Die überlebenden Dorfbewohner, in der Mehrzahl Frauen, Kinder und alte Menschen, wurden zusammengetrieben und in Lastwagen abtransportiert... Während der Bombardierungen fingen die meisten Häuser Feuer und brannten nieder... Die Toten ließ man einfach am Wegrand liegen, als Fraß für die Tiere“.
So berichtet in einem heute veröffentlichten Bericht von „amnesty international“ ein ehemaliger sudanesischer Sicherheitsbeamter über die Offensiven der Regierungsarmee gegen die Dörfer des Nuba-Volkes – nur eine von vielen Aussagen, mit denen die Menschenrechtsorganisation in ihrer neuen Kampagne ihre Einschätzung belegen will, Sudan sei ein „humanitäres Desaster“. Ursache sei die „unverhohlene Mißachtung der Menschenrechte durch alle Konfliktparteien“. Gewünscht wird die Stationierung von Menschenrechtsbeobachtern, um „den Kreislauf der Gewalt sowohl im von der Regierung kontrollierten Norden des Landes als auch im vom Bürgerkrieg schwer gezeichneten Süden zu durchbrechen“.
In Sudan, dem größten Flächenstaat Afrikas, regiert seit 1989 eine islamistisch geprägte Militärjunta unter General Omar el-Beschir, die nicht nur im arabischen Norden des Landes politische Opposition unterdrückt, sondern auch versucht, ein unvollendet gebliebenes Projekt aus der ägyptischen und britischen Herrschaft zu Ende des letzten Jahrhunderts zu vollbringen: Die komplette Eroberung des von vielen unterschiedlichen nicht-arabischen Völkern bewohnten Süd-Sudan mit seinen riesigen Sumpfflächen, seinen unzugänglichen Gebirgen und kaum erschlossenen Savannen. Dazu dient die Entvölkerung weiter Landesstriche wie auch der Kampf gegen die südsudanesische Rebellenbewegung „Sudanesische Volksbefreiungsarmee“ (SPLA), der jedes Frühjahr zu heftigen Schlachten führt. „Millionen Menschen sind im eigenen Land auf der Flucht, Konflikte um die immer knapper werdenden Nahrungsmittel häufen sich“, schreibt „amnesty“. Die SPLA ist seit einigen Jahren gespalten, so daß inzwischen ein Krieg mit vielen Fronten und örtlich wechselnden Allianzen im Gange ist. Für „amnesty“ stehen beide SPLA-Flügel der Regierung an Grausamkeit in nichts nach – von „äußerster Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit sowie der völligen Mißachtung sämtlicher Grundsätze des humanitären Völkerrechts“ ist die Rede.
Da sich nach allgemeiner Einschätzung die verschiedenen Konfliktparteien nur noch auf ihre eigenen Ethnien stützen, kann keine von ihnen den militärischen Sieg erringen. John Garangs Truppen sind derzeit vor allem mit der Belagerung der Stadt Kapoeta nahe der Grenze zu Kenia beschäftigt. Sie genießen nach unterschiedlichen Berichten zumindest politische, wenn nicht zuweilen sogar militärische Sympathie von Äthiopien, Eritrea und Uganda sowie aus Algerien. Sudans Präsident el-Beschir verkündete seinerseits vor einer Woche im Rundfunk den Sieg über die SPLA, die „bis auf einige wenige Nester des Widerstands niedergeschlagen“ sei. Sudans Regierung genießt die Unterstützung Irans und Chinas und nach SPLA- Darstellung auch Frankreichs.
Ob in dieser Situation internationale Appelle viel fruchten, mag bezweifelt werden. Eine ähnliche Kritik an allen Konfliktparteien des Sudans wie die von „amnesty“ hatte im November die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch/Africa“ geäußert und ein allgemeines Waffenembargo gefordert – bisher ohne Widerhall. Eine Entsendung von Menschenrechtsbeobachtern wird ebenso schwierig zu erreichen sein: Schon als die Regierungschefs Ostafrikas vor zwei Wochen bei einem Gipfel in Nairobi, an dem kein Vertreter aus Sudan teilnahm, die Hinzuziehung eines UNO-Beobachters zu ihren Beratungen erwogen, protestierte Khartum gegen eine angebliche „Internationalisierung“ des Konflikts. Der Nairobi- Gipfel wurde dann ergebnislos abgebrochen. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen