: Steinerne Front für den Pariser Platz bröckelt
■ Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) lockert nach heftiger Kritik die strengen Gestaltungsregeln für den Pariser Platz
Bausenator Wolfgang Nagel lockert die engen Gestaltungsregeln für die Neubebauung des Pariser Platzes. Bei den geplanten Gebäuden, so der Bausenator gestern auf der Sitzung des Stadtplanungsausschusses, könnten die Architekten auf ein angehobenes Sockelgeschoß ebenso verzichten wie auf sogenannte „stehende Fenster“. Für die Fensterformate in der Fassade bestünde nun die Möglichkeit, sie mehr breit als hoch zu gestalten. Außerdem müßten die Häuserfronten zur Platzmitte hin „nicht ausschließlich“ mit Natursteinen verblendet werden. „Aluminium oder Plastik“ will Nagel aber am Pariser Platz ausdrücklich nicht sehen.
Nagel will den Architekten und Bauherrn bei der Fassadengestaltung „insgesamt mehr Spielraum einräumen“. Anstelle der früheren Forderung, beim Bau historische Proportionen und Profile strikt einzuhalten, dürfen nun auch unterschiedliche Maßstäbe beim Aufbau rund um den Platz angewandt werden. Damit besteht die Chance, dem Pariser Platz die von verschiedener Seite beklagte bedrohliche Gleichförmigkeit und Strukturlosigkeit zu nehmen. Andererseits führt die Rekonstruktion wie etwa beim Neubau des Hotels Adlon zu einer unehrlichen Historisierung.
Wolfgang Nagel wies darauf hin, daß die Modifikation der im vergangenen Jahr formulierten „Gestaltungssatzung am Pariser Platz“ auf einige bereits fertig geplante Bauvorhaben keinen Einfluß mehr habe: So orientieren sich die Bauten „Haus Sommer“ und „Haus Liebermann“ von Josef Paul Kleihues oder das vorgesehene Gebäude der Dresdner Bank sowie die französische und amerikanische Botschaft an den alten Vorgaben. Der Neubau der Akademie der Künste, den Günter Behnisch als lichten Glaspalast entwarf und der so nicht hätte realisiert werden können, rückt durch die Regeländerungen in den Bereich des Baubaren.
Der Senator betonte, daß „das Brandenburger Tor Vorgabe und Maßstab für alle kommenden Bauten bleibt“. Die neuen Architekturen müßten „diese historische Reminiszenz ebenso wie die Höhenbegrenzung akzeptieren.
Die „Gestaltungssatzung“ war in den vergangenen Monaten stark unter Druck geraten. Besonders beim Entwurf Günter Behnischs zeigte sich, daß die Verbote für zeitgenössische Materialien und einer modernen Architektursprache einem „Ausschluß“ gleichkamen. Das starre Regelwerk, kritisierten gestern Gerhard Schiela (FDP) und Harald Wolf (PDS), hätte sich nicht als Garant für gute Architektur erwiesen. Die barocke Platzfigur bedürfe heute einer modernen Interpretation.
Auch Nagels Parteifreund Horst Klische sowie Ex-Bausenator Georg Wittwer plädierten nachdrücklich für „neue Rahmenbedingungen“ und andere „Spielräume“ am Pariser Platz. Nagel kündigte an, daß für die noch nicht vergebenen Grundstücke Wettbewerbe ausgelobt werden. Rolf Lautenschläger
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