: Kollaps in der Unterwelt
■ Wirklich gesund wird kaputter Boden nie / Kaum Hilfe vom Gesetz
Es gibt tausend Möglichkeiten, den Boden zu töten. Denn der ist fast so empfindlich wie ein Mensch: Ein paar Liter Öl, ein bißchen Akku-Säure an der falschen Stelle – schon ist die „Bodenatmung“ schwer beeinträchtigt. Das sagen ExpertInnen. Rund hundert waren am Donnerstag zur 7. Bodenschutztagung der Bodenökologischen Arbeitsgemeinschaft nach Bremen gekommen,. Zum „Ausflug in die wunderbare Unterwelt“.
Während Fachleute die Bodendiagnose „Kollaps“ immer häufiger stellen, können sie den Patienten trotzdem selten geheilt entlassen: Die Intensivstation für kontaminiertes Erdreich, die Bodenreinigungsanlage, schafft die völlige Wiederbelebung kaum. „Die meisten Bodenreinigungverfahren sind K.O.-Methoden“, faßte Gerald Vollmer-Heuer von der Agentur Altlasten-Management die Situation zusammen.
Nicht nur bei der teueren Verbrennung zwischen 300 und 900 Grad , als „thermisches Verfahren“ schöngeredet, kommt nur ein lebloser Haufen Dreck heraus.. Auch andere Verfahren, die „Bodenwäsche“ beispielsweise, oder die „Extraktion“ von Schwerölen, ergeben meist „leblose Materie“. „Wenn auch mit Chance auf Wiederbelebung“, schränkte Vollmer-Heuer ein. Selbst die boomende Fermenterbiologie bekam vom Experten kein „sehr gut“. Denn was am Ende eines mehrwöchigen Prozesses die Anlage verläßt, wurde so lange auf den Kopf gestellt und geschüttelt, daß sogar die Erde „ins Schwitzen“ kam. Dabei rutschten Analysewerte in Problemzonen. Dennoch: neben dem Mieten- und Beetverfahren ist die Fermenterbehandlung am harmlosesten – aber sie beseitigt auch nur organische Kontamination, Öl beispielsweise.
Für rund 240.000 bereits erfaßte Altlastenflächen in Deutschland heißt das: Ihr Erdreich endet in Lärmschutzwällen oder unter Autobahn-Bitumen.
Daran wird sich vorerst wenig ändern – nicht nur, weil die Reinigungsverfahren kaum mehr hergeben. Sondern auch, weil der Gesetzgeber mehr nicht verlangt: Seit 1985 bastelt die Koalition an einem Entwurf zum Bodenschutzgesetz – mit regressiver Tendenz. So sieht es Thomas Lenius, Altlastenreferent des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Von „haushälterischem“ Umgang mit dem Erdboden werde heute nicht mehr gesprochen. „Boden wird nur im Hinblick auf seine Nutzbarkeit durch den Menschen geschützt“ – schlechte Zeiten für Regenwürmer im kontaminierten Industriegebiet. Denn auch Sanierung soll dort nur nutzungsbezogen geschehen: Industrieboden wird es nie zum leckeren Mutterboden schaffen.
Kritik äußerte der BUND-Experte Lenius, weil der Entwurf des Gesetzes vor allem auf Sanierung von bereits kontaminiertem Boden setze. Vorsorgepflichten seien dagegen „wesentlich eingeschränkt“. Der BUND dagegen will nicht die Ursache der Bodenbelastung in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellen, sondern den Boden selbst. „Der Entwurf des Bodenschutzgesetzes bleibt deutlich hinter dem zurück, was für die Umweltmedien Luft und Wasser erreicht wurde.“
Doch nicht nur das. Auch die Finanzierung der Bodensanierung sei ungesichert. Für Fälle, wo das Verursacherprinzip nicht greife, müsse es einen Bodenschutzfonds geben. Abgaben auf Abfälle, Chemikalien oder Versiegelung könnten den Fonds alimentieren.
Fazit des jetzigen Entwurfs des Bodenschutzgesetzes aus BUND-Sicht: „Statt querschnittsorientiert nunmehr querschnittsgelähmt“. Wesentlicher Handlungsbedarf, zum Beispiel in der pestizidgebeutelten Landwirtschaft, würden mißachtet. Vorbeugung allzu klein geschrieben. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen