: „Blanker Antisemitismus“
■ Gemeinde Schönebeck verweigert Juden Wohnberechtigungsscheine
Schönebeck (taz) – Rund 2.000 Wohnungssuchende sind im sachsen-anhaltinischen Schönebeck registriert. Hinzu kommen seit kurzem 60 jüdische Zuwanderer aus Rußland, die derzeit in einer Sammelunterkunft leben. Als sie Wohnberechtigungsscheine beantragen wollten, wurde ihnen statt dessen ein anderer Zettel in die Hand gedrückt. „Sie haben die Möglichkeit, in anderen Städten eine Wohnung zu finden“, erfuhren die Zuwanderer auf deutsch und russisch. „Hier in Schönebeck gibt es zur Zeit keine Möglichkeit, eine Wohnung für Sie zu finden.“
Das sei blanker Antisemitismus, findet der Landesvorsitzende der jüdischen Gemeinden in Sachsen- Anhalt, Peter Ledermann. In Schönebeck nehme man offenbar an, daß die Zuwanderer in Unkenntnis ihrer Rechte die Auskünfte als gegeben hinnehmen, ohne daß man die eigentliche Motivation hinter der Angelegenheit zeigen müsse.
„Wenn man Schönebeck judenfrei haben will, sollte man dies auch laut sagen und nicht mit solchen Schriftstücken arbeiten“, poltert Ledermann, der gegen den verantwortlichen Dezernenten der Stadt, Martin Hennig, Dienstaufsichtsbeschwerde erhob.
Dieser Beschwerde will Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase (CDU) jedoch nicht weiter nachgehen. Ledermann spiele die Sache unnötig hoch und betreibe Stimmungsmache. Haase befürchtet soziale Unruhen, falls die jüdischen Zuwanderer bevorzugt mit Wohnraum versorgt werden. „Wenn die 60 Juden sich auf eine Wartezeit von zwei Jahren einrichten, können sie auch hier eine Wohnung finden“, sagt der Stadtvorsteher.
Auch der frühere Vorsitzende des Museumsvereins Schönebeck, Günter Kuntze, wirft Haase Antisemitismus vor. Kuntze beschäftigt sich seit Anfang der 80er Jahre mit der Geschichte der Juden in Schönebeck und fand heraus, daß 41 der 80 Juden, die früher in Schönebeck lebten, von den Nazis ermordet wurden. Der Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof der Stadt spricht nur von 25 ermordeten Juden. In einem Schreiben an den Oberbürgermeister regte Kuntze an, den Gedenkstein zu erneuern. Doch die Stadt hatte dafür kein Geld. Eberhard Löblich
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