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Unorte: Museen Von Claudia Kohlhase

Im Museum hängt die Zeit rum, als wenn sie nichts Besseres zu tun hätte. Dabei gibt es grade im Museumsshop so viel zu erleben, das heißt, wenn man Glück hat und Frau M. kennenlernt, die sich hier ehrenamtlich für die Kunst engagiert. Soll ich Ihnen mal was sagen, sagt Frau M. am liebsten. Dann senkt sie ihre Stimme und sagt einem was, daß einem ganz still zumute wird. Zum Beispiel, wenn Frau M. Zahlen sagt. Verkaufszahlen von Warhol-Blöckchen. Verkaufszahlen von Toulouse-Lautrec-Krawatten. Soll ich Ihnen mal was sagen, sagt Frau M. und senkt die Stimme, die kaufen hauptsächlich Rechtsanwälte. Das verstehe, wer wolle, sagt Frau M., ausgerechnet Toulouse-Lautrec, der sich doch nur rumgetrieben hat. Na ja, kriminelles Milieu, das paßt ja.

Woran erkennt man eigentlich einen Rechtsanwalt, denke ich grade, vielleicht, indem er Kunst verteidigt, aber Frau M. ist schon weiter und senkt die Stimme: Soll ich Ihnen mal was sagen? Moderne Kunst ist nicht mein Bereich! Ach, sage ich. Aber es ist so, denn Frau M.s Bereich sind eindeutig die alten Meister und impressionistische Landschaften. Soll ich Ihnen mal was sagen, sagt Frau M., dazu muß man sich ja heutzutage schon bekennen, und zeigt mir ein Sortiment Regenschirme von Keith Haring und Warhol. Wie finden Sie die, fragt mich Frau M., sind die jetzt Kunst oder nur bunt? Mein Gott, sage ich, meinen Sie jetzt die Schirme oder die Bilder? Ich meine vor allem die Strichmännchen, sagt Frau M. vehement. Na ja, sage ich, aber Frau M. möchte sowieso bloß einen ihrer Enkelin schenken und weiß nicht welchen. Wer weiß, sage hinterhältig ich, wo sich die beiden rumgetrieben haben. Na, sind ja beide tot, sagt Frau M., und da ist die Farbe dann wieder gleichwertig.

Später sitzen Frau M. und ich längst im Café der Kunsthalle und plaudern bei Tee über Kunst und Kostüme. Ich finde, daß mir Frau M. sympathisch ist, schließlich hat sie mir vorhin ein Blöckchen mit dem Milchkännchen-Stilleben von Paula Becker-Modersohn geschenkt. Soll ich Ihnen mal was sagen, hat Frau M. dazu gesagt, die Paula Becker-Modersohn sagt mir auch nicht viel, die soll sich ja in Paris ganz schön rumgetrieben haben, also die war bestimmt kein unbeschriebenes Blatt. Oder nehmen Sie Dali. Aber was sollen Künstler denn den ganzen Tag machen, frage ich tapfer ernsthaft, sollen sie zu Hause bleiben und die Heizung abstauben? Gott ja, seufzt da Frau M., blickt versonnen auf den Ohrring von Niki de St. Phalle, den sie mir eben erst gerne verkauft hat, und ist heimlich froh, wie sehr sie doch nur ehrenamtlich dabei ist und sich ihr Urteil erlauben darf. Also daß der Künstler etwas für seine Kunst kann. Und daß man nie genau weiß, wo das Leben aufhört und das Bild anfängt. Denn: Was ist schon ein Bild ohne Hintergrund? Und ob der Künstler nun aus seinen Bildern ein Dasein geschöpft hat oder ob aus seinem Dasein Bilder wurden — entscheidend ist doch, daß er in beiden Fällen unvernünftig gelebt hat.

Lange nachdem Frau M. schon wegen des Kostüms in die Stadt gegangen war, betrachtete ich noch mein Blöckchen und dachte, wozu braucht man eigentlich Museen? Es reicht ein kleiner Kunstshop und Frau M., die alleine weiß, wie weit die Kunst ins Leben hineinreicht und wie spitz im Falle von Schirmen.

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