: Furcht und Elend des Salman R.
■ Ein „Literaturwettbewerb“ eröffnet die neue Haßkampagne des Iran gegen Salman Rushdie
Nikosia/Berlin (taz/AP/rtr) – Es ist bereits eine schöne alte Tradition der Machthaber im Iran, am 14. Februar eines jeden Jahres der Welt mitzuteilen, was man in diesem Lande von den Menschenrechten hält. An diesem Datum jährt sich der Mordaufruf des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Chomeini gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie, der erstmals im Jahr 1989 ausgestoßen wurde. Der Völkergemeinschaft ist dieses Ritual unterdessen eine so liebe Gewohnheit geworden, daß im letzten Jahr die Verwirrung groß war, als das übliche Bekenntnis zur Barbarei zunächst ausblieb. Und das zum fünften Jahrestag der Fatwa! Aber schon am 15. Februar 1994 kam die Entwarnung: Iran bekräftigt Mordaufruf, westliche Welt entsetzt, ein bißchen folgenloser Protest, Rushdie weiter im Versteck – alles in Butter!
Zum sechsten Jahrestag hat sich der Iran nun ein Extrabonbon einfallen lassen, und die Welt der Literatur ist um eine Obszönität reicher. Man hat sich einen Literaturpreis ausgedacht, dem ein Platz in den Annalen der Unmenschlichkeit jetzt schon sicher ist. Die staatliche Nachrichtenagentur Irna mochte mit der Sache nicht bis zum Jubiläum warten und brachte die Wettbewerbsbedingungen am vergangenen Donnerstag an die Öffentlichkeit: Wer die beste Kurzgeschichte über „Augenblicke der Angst und Sorge“ im Leben des untergetauchten Verfassers der „Satanischen Verse“ einreiche, könne zehn Goldmünzen gewinnen. Für die zweitbeste Geschichte werden immerhin fünf Münzen in Aussicht gestellt, für die drittbeste noch drei. Die Preise seien, so Irna, von einer „regierungsnahen Organisation zur Verbreitung des Islam“ ausgesetzt worden. Die zynische Aktion hat Vorläufer: 1993 hatte eine iranische Organisation Preise im Wert von 24.000 Mark für Rushdie-Karikaturen ausgesetzt.
Gleichzeitig mit der neuen Haßkampagne gegen Rushdie drohte der Iran Norwegen wegen dessen Parteinahme für den Verfolgten mit einem Handelsboykott. Das ist nach Ansicht von Beobachtern allerdings kaum mehr als diplomatischer Theaterdonner. Norwegen hatte im letzten Monat seinen Botschafter aus Teheran zurückbeordert, nachdem der Iran bereits im Dezember auf die ständigen Proteste Oslos gegen die Fatwa mit der Abberufung seines höchsten diplomatischen Gesandten reagiert hatte. Die skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen sind in der Auseinandersetzung um Salman Rushdie und Taslima Nasrin an erster Stelle diplomatisch engagiert. Die Handelsbeziehungen zwischen dem Iran und Norwegen sind minimal.
Unterdessen muß sich Salman Rushdie weiter versteckt halten und kann nur unter sehr erschwerten Bedingungen reisen. British Airways und die Lufthansa weigern sich aus Sicherheitsgründen, ihn zu transportieren. Erst in dieser Woche hat das „Deutsche Salman-Rushdie-Komitee“ zum Boykott der Lufthansa aufgerufen. Jörg Lau
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