■ Ökolumne: Pinatubo-Politik Von Hermann-Josef Tenhagen
Unverhofft kommt oft. Kaum hat Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) ganz offiziell den Kampf um ein Berliner Protokoll zum Klimaschutz aufgegeben, schlägt das Klima erbarmungslos zurück. Sintflutartige Regenfälle ergießen sich über die deutschen Mittelgebirge, die Nebenflüsse steigen und setzen Kleinstädte unter Wasser. Und dann steigt auch noch der Rhein aus seinem Bett, als ob er den Bonnern zeigen wollte, was sie erwartet.
Die zweite „Jahrhundertflut“ in 14 Monaten macht anschaulich, was bei Klimaverhandlungen nur Inselstaaten des Pazifik und der Karibik beschreiben: wie es ist, wenn das Wasser kommt, wenn das Wetter keine Rücksicht mehr nimmt auf ökonomische Bedürfnisse und Überlebensnotwendigkeiten der Menschen.
Haben auch uns die ersten Vorboten der Klimakatastrophe erreicht? Christian Schönwiese, Meteorologe an der Uni Frankfurt, jedenfalls gibt zu bedenken, daß in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland nicht nur die Sommer heißer und die Winter milder geworden sind. In Süddeutschland zumindest regnet es auch deutlich mehr. Die andere vermutete Ursache der Rheinflut, die Regulierung der Flußläufe, zeigt heute, 30 Jahre danach, ihre Konsequenzen. Damals standen kurzfristige ökonomische Kalküle vor langfristigen ökologischen (und vielleicht sogar ökonomischen).
Wenn es denn reale Klimazeichen gibt, geht die Natur im Augenblick nicht eben sparsam damit um. Sparsam hingegen die politischen Zeichen vor dem ersten UN-Klimagipfel in Berlin. Die Bundesregierung, deren Kanzler die Welt auf dem Erdgipfel 1992 in Rio vollmundig nach Deutschland eingeladen hat, ist nicht einmal in der Lage, die vom Verfassungsgericht gebotene Chance zur Neuregelung der Kohlefinanzierung in eine angegrünte Energiesteuer umzusetzen. Wolfgang Schäuble hat eine solche gefordert, Veba-Chef Ulrich Hartmann konnte sich auch anfreunden, nur die Umweltministerin will nicht. Fast möchte man sagen, es sei nur folgerichtig, wenn die Bundesregierung ihre internationale Führungsrolle im Klimaschutz jetzt auch verbal aufgibt und sich als häßlicher Mitläufer den OECD-Klima-Hooligans anschließt. Motto: Wir sind zwar nur wenige, aber wir hauen alles kaputt.
36 kleine Inselstaaten, vor allem im Pazifik und in der Karibik, haben sich den Hooligans schon vor Monaten entgegengestellt und von ihnen eine teilweise Entwaffnung verlangt. Viele Städte in Europa und auch Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG oder der größte private US- Stromkonzern, Pacific Gas & Electric, haben erklärt, daß sie den Klimaknüppel niederlegen und mindestens 20 Prozent weniger Kohlendioxid emittieren wollen. Unterstützung für die Guardian Angels des Klimas gibt es zunehmend auch unter anderen Entwicklungsländern in Lateinamerika, Afrika und auch Südostasien. Die Hooligans aber stellen sich taub und nehmen ungerührt noch einen Schluck aus der Wachstumspulle. Nach uns die Sintflut. Im US-Außenministerium witzelt man, daß die Inselstaaten ja ganz schöne Urlaubsziele abgäben, wirklich gebraucht würden sie aber nicht.
Vor der letzten Vorbereitungsrunde für den Klimagipfel ein Vorschlag zur Güte: Mit ein wenig kreativem Technologietransfer kann man das Klimaproblem lösen und braucht den Drittwagen in Bonn oder Washington D.C. nicht einmal stehenzulassen. Man verschaffe einfach ausgewählten Staaten der Dritten Welt (Philippinen oder Indonesien) die Technologie, um ihre Vulkane selbständig zum Ausbruch zu bringen – ein richtig großer Blow, wie die Welt ihn 1991 beim Pinatubo auf den Philippinen erlebte. Das stoppt die globale Erwärmung für etwa zwei Jahre. Und die Staaten der Dritten Welt könnten einmal ihrer Verantwortung für die Erste Welt gerecht werden.
Um diesen Technologietransfer zu befördern, wäre zu prüfen, ob das Projekt nicht im Rahmen des Joint Implementation auch auf die Klimaschutzanstrengungen des Nordens angerechnet werden könnte. Dann wäre allen geholfen. Kreativität bei der Beschaffung von Finanzmitteln ist gefragt. Vielleicht ist ein (Rückversicherungs-)Vertreter dafür sogar bereit, einen Klimapreis für die schönste Vulkanexplosion auszuschreiben. Das wäre ein schöner, ein konkreter Erfolg für den Gipfel in Berlin. Schafft Pinatubos statt Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen