piwik no script img

Skandal bei IBM

■ Massenunterwanderung durch Leute ohne Anzüge bringt Hausordnung zu Fall

Washington (wps/taz) – „Es ist wohl symbolisch“, behauptet Rob Wilson. Der Sprecher der großen Computerfirma mit dem langweiligen Namen – International Business Machines, kurz IBM – spricht über die neueste Überholung seines Humankapitals. Ab sofort dürfen die ansonsten in steifen Anzügen lebenden Angestellten am New Yorker Hauptsitz des maroden Giganten freitags in Turnschuhen und „dezenten“ casuals erscheinen. Die Anordnung machte IBM-Vorsitzender Louis V. Gerstner jr. persönlich.

Erwartet wird nun, daß die meisten Betroffenen dem inoffiziellen Firmennamen Big Blue trotzdem treu bleiben und in (blauen) Jeans zur Arbeit erscheinen. Sie äffen damit sowieso nur einen Zeitgeist nach, der die IBM-Außenstellen längst erfaßt hat. „Ich komme zur Arbeit in Jeans mit Löchern, mit Farbklecksen, in allen möglichen Zuständen“, berichtet stolz eine IBM-Laborangestellte in Maryland. Das paßt: Löcher und Kratzer hat das Image von Big Blue im hartumkämpften Computermarkt schließlich längst abbekommen.

Der Umsturz in der Hausordnung ist nicht das einzige Indiz dafür, daß in der großen blauen Firma offenbar tiefgreifende philosophische Veränderungen im Gange sind. Für 70 Millionen Dollar will der Konzern sich nämlich gleich ein ganzes neues Hauptquartier im New-Age-Stil bauen, dessen Entwürfe die US-Presse als groovy bezeichnet: Neueste Technologie soll da von haufenweise wuchernden Grünpflanzen umschlungen werden.

Aber es kann nicht nur an IBM liegen. Viele andere US-amerikanische Firmen haben längst das downdressing entdeckt. Die Teamarbeit sei einfacher, die widerspruchlose Annahme dummer Befehle schwieriger, wenn die Leute ungezwungener gekleidet seien, haben Untersuchungen festgestellt. Außerdem sähen fette Angestellte ohne Schlips weniger fett aus und es sei erwiesen, daß hübschere Mitarbeiter mehr Umsatz machen. Mit der bahnbrechenden Erkenntnis, die Kleiderunordnung sei ein Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen, erklärt der Ökonomieprofessor Daniel Hamermesh die Revolution: „Die Firmen änderten ihre Politik, als sie Leute anstellten, die in den 70er und 80er Jahren aufgewachsen sind und die keinen Begriff davon hatten, wie man im Anzug lebt.“

Ein Viertel aller US-Firmen läßt ihre Leute bereits Kleidung ihrer Wahl anziehen – allerdings zumeist nur am Freitag und zumeist nur in Positionen, die wenig Außenkontakte beinhalten. Offenbar gerät es doch noch ein wenig peinlich, wenn US-amerikanische Büroangestellte selbst entscheiden dürfen, wie sie gern aussehen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen