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Bremer Vogelschutz - Marsch zurück?

■ Senat will Vogelschutz-Anmeldung zurück / Zweifel an Machbarkeit

Welche Vögel sitzen wirklich hinter dem Hemelinger Deich? Und wie überzeugend sind die Bremischen Argumente in Brüssel? Das sind die Fragen, die vor der vom Senat beschlossenen Lösung der „Piepmatzaffäre“ stehen. Denn der Senat hat gestern einstimmig beschlossen, er werde „gegenüber dem Bundesumweltministerium und der EU-Kommission die Anmeldung des Senators für Umweltschutz vom 19.Februar 1993 entsprechend der Vogelschutzrichtlinie 97/409 der EWG in vollem Umfang“ zurückziehen. Die Umweltbehörde soll ein neues Verfahren einleiten und ein abgestimmtes Konzept der EU-Kommission erneut vorlegen. „Am Ende ist das doch eine politische und keine juristische Frage“, meinte Bürgermeister Wedemeier gestern. „Herr Fücks und ich werden gemeinsam in Brüssel über diese Frage reden“, erklärte Wedemeier, der sich für eine erfolgreiche Rückholung der Anmeldung „gute Chancen“ ausrechnet.

Eine solche Rückholung allein aber sei sinnlos, wenn Bremen nicht den Schutz der Gebiete aufheben wolle, meint dazu Gerd Winter, Professor für Öfentliches Recht an der Uni Bremen. In Bremen werde viel zu sehr auf die EU-Liste der Schutzgebiete gestarrt, ohne den Charakter der Liste zu beachten: Diese zeige nur, welche Gebiete bereits national geschützt seien. Wenn Bremen also wirklich etwas an dem Gebiet in der Hemelinger Marsch verändern wolle, müsse das durch Bremer Behörden geschehen. Sollten sich im Gebiet allerdings Vogelarten befinden, die als „prioritäre Arten“ besonders zu schützen seien, dann verpflichte das EU-Recht das Land Bremen dazu, dies auch zu tun.

Welche Vögel sitzen also auf dem umstrittenen Gebiet? Der Bereich, vom BUND als nicht besonders schützenswert klassifiziert, ist auch für Umwelt-Staatsrat Manfred Morgenstern trotz der Auslösung einer Regierungskrise eigentlich „nichts, worum man sich streiten muß.“ Ganz so eigenmächtig wie es scheint, habe seine Behörde allerdings nicht gearbeitet: Bei der umstrittenen Anmeldung im Frühjahr 1993 habe sie alle Flächen als Vogelschutzgebiete angegeben, die im Landschaftsprogramm – 1991 von der Bürgerschaft beschlossen – als „schützenswert wie ein Naturschutzgebiet“ eingestuft wurden. „Der Binnenbereich der Hemelinger Marsch war ein Puffergebiet und die Einstufung als Vogelschutzgebiet ist fachlich nicht zu halten“, meint Morgenstern. In der Naturschutzabteilung werden jetzt nochmal die Karten rausgeholt und alle sieben angemeldeten Gebiete unter diesem neuen Aspekt – und unter dem politischen Druck – neu betrachtet: „Es ist gut möglich, daß der Schutz auch für andere Landschaftsschutzgebiete dann geringer ausfällt als in der ersten Anmeldung.“

Nur: Wird die Bremer Forderung nach Nachbesserung auch in Bonn und Brüssel erhört werden? Manfred Meyer-Schwinkendorff, Leiter der Bremer Vertretung bei der EU, weiß darauf keine Antwort: „Das muß noch eruiert werden, denn der Prozeß läuft noch“, meint er. „Das ist ein ganz neues Gebiet, auf dem auch die Kommission oft nicht weiß, was rechtens ist, es gibt eine große prozessuale Unsicherheit. Aber politisch geht das erstmal.“

Da ist der zuständige Fachbeamte im Bonner Umweltministerium allerdings ganz anderer Meinung: „Nachträglich etwas von der Liste zu streichen geht nicht. Das war eine korrekte Meldung, die ein zuständiger Beamter in vollem Bewußtsein seiner fünf Sinne abgegeben hat. Daß sich die Bremer Verwaltung geirrt hat, ist für Brüssel kein Argument.“ bpo

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