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Eine „Stadt der Frauen“

Mit einer kunsthistorischen Ausstellung erinnert das Bonner FrauenMuseum zur Zeit gleichzeitig an die eigene Geschichte, an Ideen und an Ziele  ■ Von Petra Welzel

Eine Verknüpfung von alt und neu, nämlich Szenarien aus spätmittelalterlicher Geschichte und zeitgenössischer Kunst, zeigt derzeit das Bonner FrauenMuseum. Idee und Konzept zu der Ausstellung lieferte Christine de Pizans 1405 in Paris erschienene Streitschrift „Das Buch von der Stadt der Frauen“. Die frühmoderne feministische Streitschrift de Pizans, seinerzeit als Erbauungsbuch für Frauen gedacht, dient der Ausstellung nicht nur als historische Quelle spätmittelalterlichen Stadtlebens, sondern dokumentiert begleitend auch jene acht inhaltlichen Schwerpunkte der Auseinandersetzung mit der Situation mittelalterlicher Frauen, auf die sich 36 internationale zeitgenössische Künstlerinnen in ihren Arbeiten konzentriert haben.

Herausgekommen sind differenzierte, feinzüngige und scharfsinnige, aber auch nachdenklich stimmende Objekte, Installationen und Performances, die die Geschichte von Frauen künstlerisch aufarbeiten und sinnvoll einen Bezug zur Gegenwart herstellen. Ingrid H. Klausers „Kleidung für den jungen Ritter“, Objekte aus Leder, Draht und Garn, sollen nicht nur ein Beispiel mittelalterlicher Frauenhandarbeit darstellen. Vielmehr werden standardisierte Vorzeichen umgekehrt: Nicht die Mode der Frau interessierte die Künstlerin, sondern das, was die Männer trugen. Fotos belegen die Tragbarkeit ihrer Kreationen. Dünnmaschig und durchsichtig wie sie sind, ist der nackte Mann – nicht gerade ein Adonis seiner Gattung – das Objekt der Voyeurin. Im Maschendraht des Objekts hat sich ein Mittvierziger verfangen, dessen Hüftspeckansatz keine Masche zu verbergen vermag.

Die Ausstellung „Stadt der Frauen“, die noch bis April im Bonner FrauenMuseum zu sehen ist, reiht sich ein in ein konsequentes Konzept, das von dem Museum schon seit Ende der 70er Jahre verfolgt wird. Begonnen hat alles 1977. Damals entwickelte die Künstlerin und heutige Direktorin des FrauenMuseums, Marianne Pitzen, das Projekt „Frauen formen ihre Stadt“. Mit seiner jetzigen Ausstellung ist das Museum letztlich also zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt.

Zu Beginn entwickelten sich die künstlerischen Projekte noch, ohne daß sie ein Dach über dem Kopf hatten. Marianne Pitzen und andere engagierte Künstlerinnen hatten sich zum Ziel gesetzt, aufzuzeigen, wie frauen- und kinderfeindlich Städtebau sein kann. Künstlerische und wissenschaftliche Beiträge wurden gesammelt und gezeigt. Nach der ersten Ausstellung „Frauen formen ihre Stadt“ folgte eine zweite unter dem Motto „Ein Raum für eine Frau“. Aus diesem Projekt wiederum entstand die Ausstellung „Wo Außenseiterinnen wohnen“. „Diese Ausstellung“, so erinnert sich die Kunstwissenschaftlerin und Museumsmitarbeiterin Gabriele Litzki, „war das erste Ausstellungsprojekt in den Räumen des FrauenMuseums“

Das war 1981. Auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort hatte Marianne Pitzen mit ihrer Gruppe das leerstehende ehemalige Textilhandelskaufhaus entdeckt. Ein Antrag bei der Stadt Bonn führte dazu, daß die Stadt das Haus kaufte. Das Gebäude war entschieden renovierungsbedürftig. Doch der morbide Charakter des Hauses entsprach anfangs ganz dem angestrebten Projekt. Für vier Monate erlaubte die Stadt Bonn den Künstlerinnen, die Räume zu nutzen. Anschließend blieben die Frauen im Haus, besetzten es und setzten ihr Programm fort. Und zwar nicht nur im künstlerischen, sondern in einem ganzheitlichen Sinn. Die Künstlerinnen durften bleiben. Die Auflage der Stadt: aus dem Haus sollte ein kulturelles Stadtteilzentrum werden. Dritte-Welt-Gruppen kamen hinzu, therapeutische Frauengruppen, Frauenzeitungen und ein Frauencafé etablierten sich. Das Haus verwandelte sich in eine kulturelle Begegnungsstätte.

An die rege Betriebsamkeit der 80er Jahre erinnert heute nichts mehr. Nach und nach veränderte sich das Haus. Standvermögen zeigten allein die Künstlerinnen, die das Haus nach und nach zu einem frauenspezifischen Museum umgestalteten. Erst seit 1994 stehen dem FrauenMuseum vertraglich sämtliche Räume des Gebäudes zur Verfügung. Ein Magazin und eine Werkstatt werden zur Zeit noch eingerichtet. Mit Hilfe von Museumsankäufen von Kunstwerken sollen Frauen als Künstlerinnen künftig verstärkt gefördert werden.

Die Spurensicherung, die Suche nach einer weiblichen Ästhetik, nach weiblichen Ausdrucksformen ist eine weitere Aufgabe, die sich das Museum zum Ziel gesetzt hat. Eine Programmatik, die nicht ganz unbedenklich ist angesichts einer nun schon 25jährigen Debatte darüber, ob es eine weibliche Ästhetik überhaupt gibt. Im Bonner FrauenMuseum bezieht man eindeutig Stellung. Nicht nur indem die Geschichte der Frauen, wie jetzt in der Ausstellung „Stadt der Frauen“, ausschließlich von Künstlerinnen bearbeitet wird. Doch auch die jetzt ausgestellten Projekte haben keinen wirklich benennbaren geschlechtsspezifisch ästhetischen Charakter. Ästhetik ist auch hier eine Frage der Definition. Nur die inhaltliche Aussage und das Geschlecht der Künstlerin verweisen im Höchstfall auf das Weibliche der Kunstproduktion. Theoretisch hätte sie in gleicher Weise auch ein männlicher Künstler schaffen können.

Wenn Vera Molnar in ihrer Computerzeichnung „Ehrung und Verkehrung Dürers“ dessen Künstlermonogramm zum eigenen Markenzeichen mit den Initialen V und M mutieren läßt, steht dahinter nicht nur die selbstbewußte Einforderung künstlerischer Anerkennung, die Künstlerinnen weder im Spätmittelalter noch heute im gleichen Maße gewährt wurde wie ihren männlichen Kollegen. Es geht auch um den Schmu, der mit Signaturen getrieben wird. Ist die Autorschaft durch ein Gütesiegel belegt, sind Inhalt und Qualität nur noch zweitrangig. Molnars Computerspiel mit den Etiketten zeigt auf, wie ein Name über Erfolg oder Mißerfolg mitbestimmt. Doch das gilt nicht nur für Künstlerinnen, sondern auch für ihre unbekannten männlichen Kollegen. Und so impliziert allein der Kontext der Ausstellung in den Räumen des FrauenMuseums die weibliche Konnotation der Werke.

Insofern bietet das Museum auch weiterhin ein Forum, auf dem „frau und man“ sich mit der Frage nach einer weiblichen Ästhetik auseinandersetzen können. In Bonn versuchen Frauen, die Kunst von ihrem hohen Sockel herunterzuholen. Und vor allem das, so meint Gabriele Litzki, mache die feministische Kunst aus. „Kunst wird im FrauenMuseum als Ausdruck der Gefühle und Emotionen verstanden“, erläutert sie, „und nicht als etwas Abstraktes, das zwar auch von Emotionen beladen ist, aber für diejenigen, die keinen Zugang zum Abstrakten haben, nicht sichtbar wird.“

Entscheidendes Kriterium ist also, was dargestellt wird. Es geht weniger darum, wie es in eine künstlerische Form gebracht wird. Künstlerin und Künstler unterscheiden sich durch die Inhalte ihrer Arbeiten. Natürlich wäre eine Annäherung der Inhalte in der Zukunft denkbar. Ihr Ausstellungsort könnte ein neues „Anderes Museum“ sein, in dem Frauen und Männer gemeinsam Bilder zur Neugestaltung der Geschlechterrollen entwickeln. Doch dafür ist die Zeit in der deutschen Museenlandschaft noch nicht reif. Gabriele Litzki, die sich in ihrer Doktorarbeit umfassend mit Frauenmuseen und Aktionen von Frauen beschäftigt hat, fordert daher eine Umorientierung der herkömmlichen Museen mit dem Ziel, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen und vor allem die inneren Kommunikationsstrukturen zu verändern. Auch der Austausch unter Künstlerinnen ist nicht immer einfach und unterscheidet sich gelegentlich kaum von dem des gewöhnlichen Museumsbetriebs. Dennoch versuchen Frauen, andere Schwerpunkte zu setzen und Hierarchien zu kappen. Gerade deshalb, meint Gabriele Litzki, sei die Existenz von Frauenmuseen nach wie vor sinnvoll: „Es gibt noch zu viele Spuren, die nicht sichtbar sind.“ So lauteten die Fragen, die sich die Macherinnen des FrauenMuseums im Zusammenhang mit ihrer laufenden Ausstellung stellten, etwa: Wie setzen sich Künstlerinnen heute mit spätmittelalterlich-städtisch lebenden Frauen auseinander? Wie verhält sich die Geschichte dazu? Wie korrespondiert dies miteinander? „Solange es gilt, dies aufzuarbeiten“, ist Litzki überzeugt, „ist ein Frauenmuseum notwendig.“

Die „Stadt der Frauen“, die derzeit im Bonner FrauenMuseum gezeigt wird, unterstreicht dies. Der Ausstellung geht es nicht allein darum zu zeigen, welche Geschichte der Frauen nie geschrieben und transparent gemacht wurde. Diese Unterlassungssünden der Historiker sind durch feministische Nachforschungen inzwischen hinlänglich bekannt. Die Demonstration, wie mit dieser Geschichte umzugehen ist, wie Kunst heute einerseits zu ihrem Verständnis beitragen und andererseits ihre nachhaltige Wirkung bekräftigen kann, ist in Bonn beispielhaft gelungen.

In seiner Konzeption ist das FrauenMuseum einzigartig. Selbst das viel größere und wohl auch bekanntere „National Museum of Women in the Arts“ in Washington geht nicht darüber hinaus, Werke von Künstlerinnen anzukaufen und in Sonderausstellungen zu zeigen. Dort wird gesammelt und gesichert wie in jedem anderen Kunstmuseum, allerdings ausschließlich die Kunst von Frauen. Auch die Stadt Bonn hat inzwischen wahrgenommen, daß sie sich mit dem FrauenMuseum schmücken kann. Der Etat des Museums wurde zwar erst kürzlich reduziert, doch seine Existenz ist nicht in Frage gestellt. Nach dem Verlust des Hauptstadtbonus wird kräftig mit der Museumsmeile geworben. Zu der darf sich nun auch das FrauenMuseum zählen. Man könnte meinen: „Frauen formen ihre Stadt!“

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