Der Kanzler kommt auch ohne Tunnel

■ Tiergartentunnel können Umzugstermin nicht mehr gefährden / Baubeginn für U-Bahn-, Eisenbahn- und Autoröhre in neun Monaten / Diplomatenzugang führt vom Bahnsteig direkt ins Kanzleramt

Der Bundeskanzler wird selbst dann pünktlich nach Berlin umziehen können, wenn die Bauarbeiten der Eisenbahn-, U-Bahn- und Straßentunnel unter dem Tiergarten in Verzug geraten. Bislang sind Experten und Planer davon ausgegangen, daß die Baugrube im Spreebogen bis Ende 1997 geschlossen sein müßte, damit mit dem Bau darüberliegender und sofort benötigter Regierungsgebäude Anfang 1998 begonnen werden könnte. Tatsächlich aber sind das Bundeskanzleramt nordöstlich von der Kongreßhalle und der „Alsenblock“ nördlich vom Reichstag von der Buddelei nicht betroffen. Die Tunnel verlaufen nur unter dem geplanten „Forum“, das für die Regierungsarbeit nicht unmittelbar gebraucht wird. Wann mit seinem Bau begonnen wird, ist derzeit noch offen.

Bahn-AG, Bauverwaltung und die für die unterirdischen Bauwerke zuständige „Projektgesellschaft für Verkehrsanlagen im Zentralen Bereich“ (PVZB) schließen bislang Verzögerungen sowieso aus – obwohl das 4,5-Milliarden-Mark-Projekt komplizierter ist als etwa der Bau des Eurotunnels zwischen Frankreich und Großbritannien. Mit dem Bau aller Tunnel soll in einer konzertierten Aktion am 1. November dieses Jahres begonnen werden, sagten gestern übereinstimmend Berlins Bahn-Chef Werner Remmert, der Chef der Projektgesellschaft, Dieter Mönnich, und Ulrich von Bismark von der Bauverwaltung. Drohende Klagen von Umweltverbänden sah das Tunneltrio gelassen entgegen. „Keine Aussicht auf Erfolg“, meinte Mönnich.

Nach dem ehrgeizigen Zeitplan sollen die Tunnel im Mai 2000 in Betrieb genommen werden. Nur auf dem dritten und vierten Gleis, die jeweils eine eigene Röhre bekommen, wird erst ab 2002 ein Zug fahren. Durch den Bau des Lehrter Zentralbahnhofs wird der Betrieb auf der Stadtbahn nicht eingeschränkt. Die Ost-West-Verbindung wird parallel neu gebaut und 1998 die Züge von einem Tag auf den anderen über das neue Teilstück geführt, sagte von Bismarck.

Bislang ungeklärt sind die Sicherheitsaspekte bei der U-Bahn- Station „Reichstag“, die genau unter dem „Forum“ liegt. Architekt Axel Schultes will zu Regierungsbauten und Kanzleramt direkte Zugänge schaffen. Unter bestimmten Bedingungen kann es offenbar dazu kommen, daß die Linie 5 durch den Bahnhof fährt, ohne anzuhalten. Eine Kuriosität wie zu Mauerzeiten in Ostberlin: DDR- Grenzsoldaten wachten darüber, daß niemand aus der fahrenden West-U-Bahn auf Ostbahnsteige sprang. Dirk Wildt