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Schaffermahl 1995: „EURE ARMUT KOTZT UNS AN“

Alle Jahre wieder gehen die „Schaffer“, rund 300 Kaufleute, Reeder und Kapitäne aus Bremen sowie ihre Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, zum ältesten noch existierende Gastmahl der Welt vom Schütting über den Marktplatz zum Rathaus- Männer unter Männern, schwarz in schwarz. Früher kam es aus diesem Anlaß häufiger zu Demonstrationen, seit einigen Jahren ist es aber ruhig. Diesmal hatte eine handvoll der Schaffer kleine gedruckte Plakate an den Ärmel geheftet. „Eure Armut kotzt uns an“, stand darauf. Die, die an die diese Botschaft gerichtet war - einfaches Volk auf dem Marktplatz, Bettler und Penner unter den Rathaus-Arkaden, waren allerdings kaum zu sehen.- sie hatten sich verdrückt.

Ehrengast des Mahls war Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer. Er versicherte, die künftige Europawährung müsse mindestens so stabil sein wie die D-Mark. Die Stabilität des Geldes müsse Vorrang haben vor anderen Gemeinsamkeiten der Europäischen Union. taz/ Foto: Vankann

haben, sagte Tietmeyer nach einem vorab veröffentlichten Manuskript am Freitag bei der 451. Schaffermahlzeit in Bremen. Währung und Währungspolitik eigneten sich nicht für Experimente, Terminpläne dürften keinen Vorrang vor dem Aufbau tragfähiger Fundamente haben.

Schon heute sei absehbar, daß es wahrscheinlich nicht allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) gleich schnell gelingen werde, die unverzichtbaren ökonomischen und politischen Gemeinsamkeiten für eine europäische Währungsunion zu erreichen, betonte der Bundesbankpräsident. Fraglich sei, ob einheitliches Geld für den florierenden Handel ebenso notwendig sei wie stabiles Geld. Eine gemeinschaftliche Währung hat nach Tietmeyers Worten in einem gemeinsamen Markt sicher erhebliche ökonomische Vorteile wie Kostenersparnisse und Handelserleichterungen. Diese Vorteile könnten jedoch die eindeutigen Nachteile instabilen Geldes nicht aufwiegen.

Ein Beginn der europäischen Währungsunion ohne hinreichende ökonomische und politische Grundlage wäre nicht nur für Deutschland schädlich, sagte der Bundesbankpräsident. Ein solcher Beginn könnte die gesamte europäische Integration gefährden. Eine Währungsunion, die an den ökonomischen und politischen Realitäten vorbei begonnen werde, könne leicht in eine Inflationsgemeinschaft einmünden oder bald wieder auseinanderbrechen.

Die Schaffermahlzeit ist das . An ihm nehmen an jedem zweiten Freitag im Februar im Bremer Rathaus teil. An dem Mahl dürfen traditionsgemäß nur Herren teilnehmen, die nach altem Brauch im Frack erscheinen müssen. Ursprünglich war das Schaffermahl ein Abschiedsessen, zu dem sich die Kapitäne trafen, bevor sie im Frühjahr nach der Eisschmelze wieder auf Fahrt gingen. Heute ist das nach nahezu unveränderten Regeln zelebrierte Mahl eines der bedeutendsten Ereignisse Bremens. Gäste dürfen nur einmal im Leben daran teilnehmen.

Achtung: Die Sperrfrist 1830 Uhr ist einzuhalten. Das Schaffermahl beginnt zwar am Nachmittag, die Tietmeyer-Rede ist jedoch erst für den Abend vorgesehen. lni sm sc ll

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