Käuflicher Sex für Lesben

■ 130 Bremerinnen drängelten sich zum Vortrag einer lesbischen Sexarbeiterin

Lesbische Callgirls – ein Tabu? Das Kultur- und Bildungszentrum Belladonna lud am Freitag zu diesem Thema ein, und 130 Frauen kamen. Mit grundsätzlichen Bedenken sah sich Referentin Laura Méritt, lesbische Sexarbeiterin aus Berlin, allerdings kaum konfrontiert. Möglicherweise dämpfte sie entsprechende Fundamentalpositionen bei den 130 Besucherinnen schon mit ihrem „historischen Rückblick“. Lesbische Sexarbeit nämlich habe es schon immer gegeben: In der griechischen Antike legten Tempelprostituierte Hand an die Damen, im mittelalterlichen Badehäusern sorgten „Reiberinnen“ für deren Wohl. Die Beginenhöfe veredelten den Alltag extramuraler Mitschwestern mit der Herstellung einschlägiger Spielzeuge, um die Jahrhundertwende positionierte Emma Flegel aus Lübeck in St. Louis einen Frauenpuff in die Neue Welt. Vor zehn Jahren folgten ihr Frauen in San Francisco und New York.

Vor zweieinhalb Jahren war es auch in Berlin so weit. Eine Umfrage auf der Lesbenwoche hatte Bedarf signalisiert, doch der, bedauert Laura heute, ist vorwiegend „oral da, aber nicht real.“ Zwar habe sich bundesweit ein Sex-Network „etablissiert“, mit Erotikshops, Frauenpornos und einschlägigen Büchern. „Aber ein Frauenpuff würde heute noch nicht laufen.“

Laura Méritt muß es wissen, sie gestaltet mit drei Kolleginnen den Berliner „Eskort-Service“. Für 150 Mark plus Taxi plus „Extras“ kommen sie nach telefonischer Absprache nach Hause, ins Hotel oder in die Botanik, um die Anruferin eine Stunde lang zu beglücken. Was „Extras“ sind, was das Normale, ist bei Frauen naturgemäß schwieriger zu definieren als bei Männern. In jedem Fall gehören bestimmte Rollenspiele zu den „Extras“, welche den Griff in den großen Utensilienkoffer nötig machen. Fürs Normale reicht dagegen meist der kleine „Medizinbeutel“, in dem sich neben den üblichen Toys das Necessaire für den Safen Sex befindet. Ohne Gummi nämlich läuft auch beim weiblichen Klientel der Escorts gar nichts.

Die Unterschiede zur männlichen Kundschaft liegen woanders: Frauen führen womöglich intellektuelle Gespräche über patriarchale Strukturen, sind es aber nicht gewohnt, über ihre sexuellen Bedürfnisse zu reden, die andererseits um einiges vielschichter sind als bei Männern. „Männer machen ihren Fick und gehen“, bringt es Laura auf den Punkt. „Frauen machen viel mehr Arbeit“ und wenden das Erlebte anschließend oft noch lange im Kopf hin und her. „Die sehen mich nicht unbedingt als Objekt“, erklärt Laura. Das führe zuweilen durchaus zu Abgrenzungsproblemen, zumal, wenn sich bei beiden Lesben dann doch Gefühl einschleicht. Dann wird es selbst für die professionell arbeitenden Escorts schwierig, die Sexarbeit wie üblich als „Verkauf von Dienstleistung und Zeit“ zu definieren.

Die Herkunft der weiblichen Kundschaft läßt sich ebensowenig festlegen wie die der männlichen. Die Freierinnen arbeiten als Haus- oder Geschäftsfrauen, sind Arbeiterinnen und Angestellte, wohnen allein oder in der WG, leben zurückgezogen oder repräsentieren für eine Partei, kurz: es gibt kein bestimmtes Profil. Einige versuchen, mit Hilfe der Sexpertinnen zerstörte Beziehungen zum eigenen Körper wieder aufzubauen. Andere wollen sich in die Techniken der Liebe einführen lassen. Die männlicherseits so oft beschworenen Vergewaltigungsphantasien sind selten, meint Laura, „und wenn, versuchen wir, die spielerisch umzulenken.“

Dazu gehört viel therapeutisches Geschick und Einfühlungsvermögen. Andererseits sehen sich Laura und Kolleginnen von ihren Geschlechtsgenossinnen mit ungewöhnlicher Härte konfrontiert. Die Sexpertinnen registrieren „viele böse Anrufe“, die sich auf die Existenz des Service beziehen. Sowas haben sie mit Freiern noch nicht erlebt. Die gesellschaftlich begründete dreifache Diskriminierung als Frau, Lesbe und Hure äußert sich, meint Laura, auch darin, daß der Escort-Service so selten beansprucht wird, daß die Mitarbeiterinnen von diesen Diensten nicht leben können. Bei Vorträgen und Veranstaltungen dagegen registriert Laura ein starkes Interesse. Ob's reicht, den Männern auch diese Bastion zu nehmen?

Dora Hartmann