: Die ganze Litanei der Eifersucht
■ Das hat frau davon, daß sie nicht mehr prüde, aber noch romantisch ist: „Bar Girls“ von Marita Giovanni (Panorama)
Bitte malen Sie sich folgende Szene aus: Zwei junge Frauen, die sich soeben in einer Bar kennengelernt haben, liegen angezogen zusammen im Bett. Beide denken an Sex, aber keine traut sich. Also reden sie erst mal eine Weile, natürlich über Sex. Falls Sie nun meinen, nur ein Mann könne soetwas phantasieren, dann liegen Sie leider falsch. Denn Marita Giovanni heißt die aus Virginia stammende Regisseurin, der diese Bettszene für ihren ersten Spielfilm „Bar Girls“ eingefallen ist. Und die schert sich sympathischerweise einen Dreck darum, daß die zehn lesbischen Frauen, die sie durch den Film schickt, oft nur eine Spur von der Persiflage entfernt sind.
Denn nicht genug damit, daß Loretta, die bei ihrer Anmache in der Bar noch einigermaßen forsch war, mit ihrer neuen Bekanntschaft Rachel erst mal ein wenig plaudern möchte, ehe sie ihr an die Wäsche kann. „Ich muß lieben, um es zu machen“, rückt sie schließlich mit ihrem Handicap heraus, und das klingt dann freilich lustig, da die beiden, die noch keine drei Sätze miteinander gewechselt haben, doch immerhin schon im Bett miteinander sind. Women in the nineties: Das hat frau davon, wenn sie keine Spur mehr prüde, aber trotzdem noch romantisch ist. Da vertut man sich zuweilen in der Reihenfolge und merkt's erst, wenn die andere schon den BH aufmacht. Freilich klappt's dann doch, das mit der Liebe und dem Sex. Und kurze Zeit später bezieht das gutbetuchte Pärchen auch schon ein nettes kleines Heim.
Ob das wohl gut geht? Nein, natürlich nicht. Denn das mit dem Zusammenziehen, wer weiß das nicht, das geht fast immer schief und also auch bei einem lesbischen Pärchen. Schlechte Zeiten für ewige Liebe und Treueschwüre. Darum hat das Drama, das Giovanni erzählt, mit lesbischem Kino auch nichts zu tun, denn es ist zum Heulen klassisch. Es geht um die unvermeidliche Eifersucht, und deren Aktionsformen bleiben nun mal, sie mögen noch so perfide sein, einfach begrenzt. Als eine neue Frau namens J.R. in der Lesben-Bar aufkreuzt, heißt das für alle nur eins: Nun werden die Karten neu verteilt. Neues Spiel, neues Glück. Pech für Frischverliebte, denen bloß die Wahl bleibt, diesmal die Finger davon zu lassen oder aber wildentschlossen einer handfesten Eifersuchtsszene entgegenzusehen. Den Anflug eines Lächelns auf Rachels Gesicht interpretiert Loretta denn auch sogleich als klares Angebot, und schon schnurrt die ganze Litanei der Eifersucht wie am Schnürchen ab: von der Schlägerei zum Heulkrampf bis zum Kofferpacken bleibt den beiden aber auch nichts erspart.
So richtig in Fahrt aber kommt der Film erst, als er sich nach dieser gefühligen Innenausleuchtung zu einem Perspektivwechsel entschließt und dabei das Genre wechselt. Aus einem etwas drögen Eifersuchtsdrama wird in der zweiten Hälfte ein komödiantisches Beziehungskarussell. Die Paare lösen einander im fliegenden Wechsel ab, unter Tränen freilich, über die man nur noch lacht. Denn die Tragödie gibt es nur in der Einzahl, ihre Summe ist immer komisch. Andrea Kern
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen