piwik no script img

Rußland wird den militärischen Atommüll nicht los

■ Neuer Alarmbericht über Strahlengefahr am Eismeer / USA warnen seit langem

Oslo (taz) – In einer einstürzenden Lagerhalle liegen 10.000 abgebrannte Brennstäbe, strahlendes Wasser sickert ins Meer: „wie ein Sieb“. So lautet der vorläufig letzte Alarmbericht, am Samstag veröffentlicht in der Osler Tageszeitung Aftenposten. Was da geschildert wird, liegt gerade 70 Kilometer jenseits der russisch-norwegischen Grenze. Am Listafjord, der seinerseits ins Eismeer mündet, zwischen der Halbmillionenstadt Murmansk und der norwegischen Grenze hat Rußland nach der Beobachtung der norwegischen Umweltschutzorganisation „Bellona“ den Kampf mit den radiaktiven Hinterlassenschaften der Sowjetunion offenbar aufgegeben. In dem vom Militär hermetisch abgeriegelten Gebiet wird nur noch nachlässig der Verfall bewacht. Einst waren die abgebrannten Brennstäbe aus den militärischen Schiffsreaktoren mit Spezialschiffen abtransportiert und in eine Wiederaufarbeitungsanlage gebracht worden. Heute wird nur noch aufgestapelt, was alle drei bis vier Jahre aus den Reaktoren der U-Boote und Eisbrecher ausgewechselt werden muß. Die Transportschiffe sollen verschrottet worden sein, das Sicherheitsbewußtsein in der Basis scheint geschwunden. Aftenposten berichtet, daß die USA Moskau seit längerem auf die Gefahr hinwiesen. Den Spionagesatelliten blieb das Problem nicht verborgen. Doch nichts sei geschehen.

Während „Bellona“ von „hochradioaktivem“ Material spricht, welches das Potential habe, das Nordmeer zu verstrahlen, versucht die Strahlenschutzbehörde in Oslo eher zu verharmlosen: Es sei „schwer nachprüfbar“, was da wirklich lagere, und welche Gefahr die 10.000 Brennstäbe darstellten. Man sei in ständigem Kontakt mit den russischen Behörden, die allerdings „kein geschlossenes Atommüllkonzept“ hätten. Am aussichtsreichsten scheinen Pläne zu sein, wonach auf der von Atombombentests verstrahlten Nordmeerinsel Nowaja-Semjla ein Lager gebaut werden soll – wozu aber weder ein politischer Beschluß vorliegt, noch ein Plan zur Finanzierung. Reinhard Wolff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen