: Helmut Markworts Spaßvogel Von Hans-Hermann Kotte
Okay, okay. Er hat die Fernsehshow „Verstehen Sie Spaß?“ vor Kurt Felix, Paola und Karl Dall gerettet. Er hat die Publikumsbeschimpfung am Samstagabend eingeführt. Und als komödiantischer Moderator von „Schmidteinander“ und „Pssst...“ gab sich Harald Schmidt so fernsehtauglich und fernsehkritisch zugleich, daß die Fernsehkritiker ganz unkritisch wurden. Seit es Focus gibt, das Zentralorgan für Schäuble-Anbetung, Nadelstreifenrassismus und Kartoffeldruckinterviews, versucht es Schmidt dort auf die gleiche Tour. Ein „lachender Misanthrop“ (O-Ton), der den alltäglichen (medialen) Wahnsinn so aufbereitet, daß die Pointen in jeder Szene funktionieren, ob am nationalen Stammtisch oder im legalisierten besetzten Haus – Harald S. ist noch kompatibler als sein saufender Vornamensvetter.
Doch Woche für Woche ganz toll „unkorrekt“ in Focus zu schreiben ist etwas anderes als ein einmaliger ironischer Auftritt im dumpfen „Musikantenstadl“ des Karl Moik, wo Harald Schmidt für seine eigene Sendung werben durfte. Einer, der für Focus Witze reißt, wo die Vertreibung der Deutschen aus den „Ostgebieten“ als „ethnische Säuberung“ betrauert wird, muß ziemlich viel Spaß verstehen. Zu viel.
Aber der darf sich immerhin im „Tagebuch“ des Chefredakteurs Helmut Markwort, der realsatirischen Rubrik von Focus, loben lassen als einer, dessen „Manuskript pünktlich auf dem Tisch liegt“. Oder auch als jemand, der „als Spaßvogel erfolgreich ist“, und als „vielseitiger Mensch“ ganz „witzig, subtil, pointiert“ schreibt. Und das Burda-Schwesterblatt Bunte schwärmt mit Gänsehaut vom „Kabarettisten, der Witze wie Bitbulls von der Leine läßt“.
Von wegen. Harald Schmidt, der Pudel ohne Kern, macht nichts anderes als Helmut Markwort. Er schreibt über die gleichen schlappen Themen: Lufthansaflug, London-Trip, Fußball, Nichtraucher, Hotelzimmer, Möbelkauf, Computer-Anekdoten, Intercity. Bloß eben ironisch, „gewagt“, anders kann er nicht. Ab und zu auch mal was gegen die CSU. Und zwanghaft unter der Gürtellinie, was er gern entschuldigend in einer Klammer vorab ankündigt: Achtung, versaut!
Denn eigentlich schreibt er nur mit dem Schwanz. Gottschalks Konkurrenzpimmel füllt eine ganze Rubrik. Die Flugbegleiterin ist dann besonders sexy, wenn sie „die Schwimmweste erklärt und zu diesem Behufe den Stöpsel sanft an die Lippen führt“. Politessen sollen, statt Strafzettel auszuteilen, besser den Parksünder an die Parkuhr ketten und wahlweise „Stöckchen oder Peitsche zücken – lieber Striemen auf dem Gesäß als Punkte in Flensburg“.
Auch sexuelle Belästigung bei der betrieblichen Weihnachtsfeier ist ein tolles Thema: „Für die Kombination Abteilungsleiter/Teilzeitkraft empfehlen sich die Mäntel und Kunstpelze an der Garderobe (funktioniert nur stehend und ohne allzu heftige Gegenwehr).“ Am besten aber kommt Haralds Reflexion darüber, daß Frauen „bodymäßig und vom hormonellen Outfit her“ für acht Schwangerschaften ausgestattet seien: „Die moderne Frau bringt es höchstens auf zwei Kinder, bleibt also die Reservekraft von sechs ungenutzten Schwangerschaften.“ Wow! Stöpsel-Harald kann sogar rechnen!
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