: In Augenhöhe festgemauert
■ „The Summer That Never was“ von Taku Oshima (Forum)
Gerade hat sie eine Beziehung hinter sich gebracht. Man redet. Sie wohnt jetzt wieder bei ihren Eltern. Mit der Mutter streitet sie sich. Sie übt mit ihrer Freundin ein Lied ein. Sie reden über die Beziehung. Ein geheimnisvoller Junge hinter einer Tür, die nur einen Spalt geöffnet ist. Der redet nicht. Sie redet wieder mit der Freundin. Sie besucht ihre kleine Schwester. Sie reden.
Sie beobachtet den geheimnisvollen Jungen, als er im Supermarkt stiehlt. Sie redet schon wieder mit ihrer Freundin. Und da ist auch viel Schweigen. Was meinen Sie, klingt das nicht sehr nach deutschem Betroffenheitscharme? Aber dieser Film ist aus Japan. Dort haben sie wohl auch was in den Knien, denn die Kamera bleibt festgemauert in Augenhöhe, und die Halbtotale erfreut sich ungeteilter Aufmerksamkeit.
Derweil mutiert der Film in ein Sozialdrama allererster Kajüte: Die dreißigjährige Frau hat den erst dreizehnjährigen Jungen kennengelernt, der von seiner Mutter verlassen und verwahrlost lebt. Mehr und mehr rutscht sie in die Mutterrolle, trägt irgendwann sogar ihre Kleider, und bald entsteht auch etwas Sexuelles. Aber der Film schleppt sich immer noch genauso zähflüssig dahin, wie der Junge Vertrauen faßt.
Doch plötzlich, ganz langsam und trotzdem unversehens, finde ich an der immerwährenden Halbtotalen gar nichts Langweiliges mehr, finde „Kana-Kana“ sogar witzig und unterhaltsam, obwohl ich mir seiner bleiernen Schwere weiter bewußt bin. Wie das Einsinken in eine Droge, die man eigentlich nicht leiden kann.
Und wenn ich mir vor Augen halte, daß Taku Oshima diesen seinen ersten Film auf 16 Millimeter (vorher drehte er nur Super-8 und Video) für ungefähr 45.000 Mark fast im Alleingang gemacht hat, wird mir erst mal klar, was für ein irrsinniges Talent dieser Mann haben muß (nun gut, das mit der Halbtotalen sollte er noch mal überlegen). to
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