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Smoking / No Smoking

Kann Wayne Wang den Wettbewerb retten? „Smoke“ und „Blue in the Face“ haben das gleiche Personal – in letzterem ist es losgelassen  ■ Von Mariam Niroumand

Gar nicht mehr so mean, die streets, auf denen New Yorks inzwischen recht wohl positionierte Film-Bohemia wandelt. 4000 Fotos hat der Passionario, den Harvey Keitel hier gibt, von seiner Straßenecke aufgenommen. Hauptberuflich ist er der Pächter eines Tabakladens, dem emotionalen wie narrativen Zentrum, der Volxküche dieser beiden Filme, die den diesjährigen Wettbewerb versuchsweise um das bereichern, was ihm letztes Jahr Alain Resnais' „Smoking / No Smoking“ gaben. „Blue in the Face“ ist dabei als Dekomposition von „Smoke“ angelegt: so ziemlich dasselbe Personal, nur losgelassen. Wo bei „Smoke“ noch Paul Austers wohlkalkulierte Zukunftsmusik herrschte, wird im zweiten Film, gedreht mit dem Restbudget, improvisiert bis die Protagonisten blau im Gesicht sind. „Smoke“ ist das Produkt, das entstanden wäre, wenn sich die Protagonisten aus Louis Malles Amsterdam New Theater nach der Produktion von „Vanya on 42nd Street“ überlegt hätten, mal etwas über Brooklyn zu machen. Keitel hat diesen Tabakladen an der Ecke, an dem sich alle treffen. Der Schriftsteller (William Hurt) kommt, um Zigarren zu kaufen: „Versuch mal, den Rauch zu wiegen, das ist, als wolltest du Luft wiegen, oder als wolltest du jemandes Seele wiegen“; alle schauen aus dem Fenster und nicken: „Yeah“. Klar, sagt jemand anderer, „mind over matter“, Geist siegt über Materie, wie New York über Hollywood siegen wird.

Und so wird hier die ganze Nachbarschaft Penny-Lane-artig aufgefahren: „Blue in the Face“ versammelt Lily Tomlin als Junkey, Roseanne als Las-Vegas-Girl, Jim Jarmusch als künftigen Nichtraucher mit der letzten Zigarette, Madonna als Postman, der ein-bis zweimal klingelt – und zwar in knallrot – sowie Forest Withaker, der in „Smoke“ einen Sohn sitzenließ, der ihn schließlich heimsucht. Und, ich bitte Sie: Lou Reed! Kennt sich in Toronto nicht aus, dafür aber in New York! Und hat seine Brille patentieren lassen!

Was Paul Auster, der ja hierzulande zum neuen Herrn der Ringe avanciert ist, seine Zufallsmusik nennt, lappt in Wahrheit gewaltig ins Antikisierend-Schicksalhafte: Ein Bursche von 17, der in Wahrheit Thomas Jefferson Cole heißt, rettet dem Schriftsteller das Leben, findet seinen Vater, der ihn nach dem tödlichen Unfall der Mutter verließ; eine Familie entsteht. Ruby konfrontiert Tabakmann Keitel mit der Tatsache, daß sie damals eine Tochter gezeugt haben, die inzwischen ein Crackhead und zusätzlich auch noch schwanger ist; eine Familie ist zu retten. Harvey besucht die neunzigjährige Oma Ethel, die an Weihnachten allein ist, und spielt der Blinden ihren Neffen vor; eine Familie für eine Nacht. Währenddessen fegt ein Schwachsinniger den Tabakladen, und fegt und fegt und fegt, inmitten von Sound and Fury (Am Saxophon: John Lurie).

In „Blue in the face“ lockert sich dieser Griff, die Menschen treten aus dem Actors Studio, und sogar eine Videokamera tritt auf. Brooklyner werden, unter kreischend blauem Brooklyner Himmel befragt, wie man es macht, Brooklynese zu sein: „Oh, man läßt sich halt nichts gefallen“. „Oh, zum Geburtstag werfen sie mir Torte in die Fresse“. „Oh, es gibt hier Flüsse, Bäume, Steine und sogar Sümpfe“. Ein Puertorikaner sagt die Zahl der Juden, ein Italiener die Zahl der Hispanics, ein Schwarzer die Zahl der in Brooklyn lebenden Italiener — prompt sind wir auf der Sesamstraße, und alle haben ihre Geschichte zu erzählen, sogar ein Country Lied ertönt, Jarmusch raucht die letzte Zigarette, und Roseanne kommt endlich nach Las Vegas. Very strange!

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