■ Aus „Versehen“ Freudenhaus neben Schule genehmigt: Ein Puff für Magdeburg
Magdeburg (taz) – Mächtig stolz sind die Stadtväter von Magdeburg, daß es ihnen bislang gelungen ist, das horizontale Gewerbe aus ihren Stadtmauern weitgehend herauszuhalten. Zwar gibt es einige Etablissements, von denen niemand so recht weiß, was in den Séparées passiert, aber etliche Versuche, ein richtiges Bordell in Magdeburg zu errichten, konnte die große Koalition der Prüderie im Stadtrat bislang erfolgreich abschmettern. Bis jetzt. „Ganz aus Versehen“ hat das Bauordnungsamt nämlich eine Baugenehmigung für ein Bordell erteilt. Der Stadtrat ist ratlos. Denn bei einem Widerruf der einmal erteilten Baugenehmigung dürften erhebliche Schadensersatzansprüche auf die Stadt zukommen.
Schon im Mai vergangenen Jahres wurde eine Bauvoranfrage des Investors positiv beschieden. Die Phantasie der Beamten im Rathaus reichte nicht dazu aus, sich eine Vorstellung davon zu machen, was der Investor dort tatsächlich plant. Der stellte aber kurze Zeit später in seinem Bauantrag auch für den phantasielosesten Beamten zweifelsfrei klar, was er neben einem Schulkomplex tatsächlich eröffnen will. „Aufgrund der dem Bauantrag beigefügten Unterlagen wird deutlich, daß hier ein Dirnenwohnheim (Eros-Center laut Mietvertrag) betrieben werden soll“, heißt es in einer internen Notiz des Magistrats.
Das zu genehmigen erschien den zuständigen Beamten im Bauordnungsamt dann doch zu pikant. Hilfesuchend wandten sie sich an das Ordnungsamt, aber das wies jegliche Zuständigkeit weit von sich. Die so allein gelassenen Staatsdiener setzten sich mit dem Investor zusammen und feilten mit ihm an der Formulierung des Bauantrags. Die pikanten Details der geplanten Nutzung wurden umgestrickt, aus „Dirnenwohnheim“ wurde „Beherbergungsgewerbe“. Das erschien dem zuständigen Beamten unverfänglicher, im November erteilte er schließlich die Baugenehmigung.
Der Dezernent für Ordnungsangelegenheiten, Hans-Heinrich Tabke, ist zwar der Meinung, „daß Bedenken gegen eine Nutzung des Objekts als Dirnenwohnheim mit einer Kapazität von 38 Plätzen“ bestehen, weiß sich aber auch keinen Rat, wie sich die Stadt ohne Schaden aus der Sache herauswinden kann. Das geplante Eros-Center füge sich nicht in den städtebaulichen Rahmen ein, der von einem Schulkomplex, Reihenhäusern und einer Sportanlage bestimmt werde. Aber Baugenehmigung ist nun einmal Baugenehmigung. – Jetzt versucht die Stadt zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Den Investoren werde ein Ergänzungsbescheid zugestellt, kündigte der Magistrat an. Dieser Bescheid lasse zwar ein Beherbergungsgewerbe zu, aber eben keinen Puff. Allerdings weiß auch der Ordnungsdezernent Tabke, daß die Baugenehmigung auch die Auslegung einer horizontalen Gewerbeausübung umfaßt. „Bei störungsfreiem Ablauf können wir ordnungsrechtlich nicht gegen den Betrieb vorgehen.“ Der Bauherr selbst wird sich eine Einschränkung seiner Baugenehmigung kaum gefallen lassen. Er kann schließlich nachweisen, daß die Beamten im Bauordnungsamt genau wußten, was sie da genehmigten, und ihm sogar noch bei der genehmigungsfähigen Formulierung geholfen haben. Und deshalb kann man sich bei der Stadtverwaltung schon ausrechnen, daß man in absehbarer Zeit zwischen allen möglichen Stühlen sitzt. Nämlich zwischen Schadensersatzforderungen in mehrfacher Millionenhöhe und aufgebrachten Eltern, die befürchten, daß ihre Kids in der Lasterhöhle an der Blankenburger Straße mehr lernen als auf den Schulbänken, die sie nebenan drücken sollen. Eberhard Löblich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen