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Die Drogenmafia der Schlachthöfe

In Belgien fordert der verzweifelte Kampf gegen eine illegale Hormon-Connection das erste Todesopfer / Drogenrückstände in bis zu 23 Prozent der untersuchten Proben  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Nach dem Mord an einem belgischen Tierarzt entwickelt sich vor den Augen der belgischen Öffentlichkeit ein Horrorszenario. Karl Van Noppen, der am Montagabend in Lille bei Antwerpen mit einer großkalibrigen Pistole auf offener Straße erschossen wurde, stand offensichtlich seit langem auf der schwarzen Liste einer Mafia aus Rinderzüchtern, Apothekern, Futterhändlern und korrupten Beamten. Seit Wochen erhielt der 42jährige Familienvater Van Noppen Morddrohungen. In anonymen Telefonanrufen wurde er aufgefordert, endlich aufzuhören mit den unnachgiebigen Kontrollen in Mastbetrieben und Schlachthöfen.

Er galt als der härteste der 16 staatlichen Veterinärinspektoren, die hinter den Produzenten, Dealern und Anwendern von illegalen Masthilfen her waren. Es geht um Medikamente wie Clenbuterol, das schon vor Jahren im Mittelpunkt eines Hormonskandals stand, der sich damals auf beiden Seiten der deutsch-belgischen Grenze abspielte. Die Medikamente beschleunigen das Muskelwachstum und bringen dadurch pro Tier Zusatzgewinne von 200 bis 500 Mark. Sie stehen im Verdacht, bei Menschen krebsfördernd zu sein, und können außerdem den Hormonhaushalt durcheinander bringen.

In Deutschland sind seither keine neuen Fälle bekanntgeworden, aber die belgischen Behörden scheinen das Problem nie in den Griff bekommen zu haben. Bis heute hat die Polizei nicht herausgefunden, wer vor zwei Jahren auf den Tierarzt Gilbert Denoo geschossen hat. Der Mann war für die Nachforschungen im Schlachthof von Tournai zuständig, wo bei mehr als der Hälfte der untersuchten Tiere Hormongaben diagnostiziert wurden. Wenige Tage später stand Denoos Auto in Flammen.

Der belgische Europaabgeordnete Jaak Vandemeulebroucke, der gelegentlich Ziegelsteine im Wohnzimmer und brennende Benzinkanister in seiner Garage findet, versucht seit Jahren, die Regierung aufzurütteln. Er ist überzeugt, daß die Drahtzieher gefunden werden könnten, wenn Polizei und Justiz es wollten. So berichtet er von einem Tierarzt, der schon wegen Hormonhandels verurteilt worden ist und vor einiger Zeit eine Apotheke gekauft hat. Weil die Berufungsverhandlungen noch laufen, kann er seine Geschäfte weiterführen. Nach Vandemeulebrouckes Recherchen teilen sich etwa 50 Händler den lukrativen Hormonmarkt, der rund 250 Millionen Mark im Jahr bringen soll.

Eine Verbraucherzeitung ließ vor drei Monaten reihenweise Schnitzel und Rinderleber untersuchen: bei 7 Prozent der Schnitzel fanden sich Spuren von synthetischen Hormonen, 23 Prozent der Leberstücke dünsteten Clenbuterol aus. Jede vierte Metzgerei reichte ins Fleisch verpackte Hormongaben über den Ladentisch.

Im Oktober letzten Jahres beschloß die belgische Regierung ein neues Gesetz, nach dem die Kontrollen verstärkt und die Strafen erhöht wurden. Seitdem riskieren die Rinderdrogen-Mafiosi bis zu fünf Jahren Haft und Geldstrafen bis zu 1,2 Millionen Mark. Außerdem muß in einem Zuchtbetrieb künftig die ganze Herde getestet werden, wenn bei einer Stichprobe ein gedoptes Tier gefunden wurde. Das kann teuer werden: Pro Rind kostet die Untersuchung über 500 Mark.

Das neue Gesetz scheint vor allem die Entschlossenheit der Hormon-Connection gesteigert zu haben, die Fahnder einzuschüchtern oder durch Bestechung auf ihre Seite zu ziehen. Veterinärinspektor Van Hoppen hatte einen Verdacht, warum die Kontrollen so oft ins Leere gingen. Wenige Tage bevor er ermordet wurde, hatte er Anzeige gegen seinen Vorgesetzten erstattet. Der habe, so will Van Hoppen entdeckt haben, die Schlachthöfe und Mastbetriebe über die geheimen Einsatzpläne der Inspektoren informiert.

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