piwik no script img

Freiflug und gute Kondition

■ Hamburgs Rhönradmeisterin Nina Zyhlke über Schwung und Schwindel

Das Rhönrad, gebaut aus zwei durch Sprossen verbundene Stahlrohrreifen mit Kunststoffbeschichtung, feiert 1995 seinen 70. Geburtstag. Die taz sprach vor den am Sonntag stattfindenden Hamburger Meisterschaften (Sporthalle Wegenkamp) mit der zweifachen Titelträgerin Nina Zyhlke (14).

taz: Wie heißt es richtig: Rhönrad fahren oder turnen?

Viele Leute sagen Rhönrad fahren. Aber ich turne. Mit neun habe ich ein Schauturnen der TSG Bergedorf gesehen und mir gesagt: Das möchte ich auch. Dann bin ich hin und habe bis heute weitergemacht.

Wie oft trainierst Du?

Dreimal pro Woche: montags und freitags je anderthalb Stunden, samstags meist zwei. Früher bin ich im Sommer erst mit dem Rad zum Segeln und danach zum Training gefahren. Das war ziemlich anstrengend. Ich hatte deshalb aber auch eine gute Kondition.

Die braucht man?

Wenn man auf Leistung turnt schon. Meine Kür ist ziemlich anstrengend. Und beim Training turnen wir die Übungsteile, die wir noch nicht können, ein paarmal nacheinander. Da kommt man schon aus der Puste.

„Durchgeturnte Brücke und ganzer Freiflug“

Woraus besteht eine Kür?

Es gibt eine bestimmte Zahl von Umdrehungen, die ich turnen darf und welche, die ich muß. Es müssen bestimmte Elemente drin sein, zum Beispiel eine durchgeturnte Brücke oder ein ganzer Freiflug.

Einen was?

Beim Freiflug sind die Arme vollständig vom Rad gelöst. Fortgeschrittene machen oft einen Freiflug mit Anbücken. Da kommt man mit den Händen an die Füße.

Turnst Du nur in der Halle?

Bei Auftritten gelegentlich auch auf dem Rasen. Training und Wettkämpfe finden hingegen nur drinnen statt.

Dann hast Du bestimmt eine Lieblingsbahn.

Man kann meist in der Halle, in der man trainiert, am besten turnen, weil man sich an den Belag gewöhnt hat. Wir hatten aber auch schon Meisterschaften auf Dielen. Erst mußten wir die Räder die Treppe hochschleppen, weil die Halle nicht in Ordnung war. Oben lagen dann Holzplanken und da war immer ein kleines Loch dazwischen. Das war nicht so toll: bong, bong, bong.

Das hat bestimmt beim Rollen gestört. Wie schnell wird man überhaupt?

Das kommt drauf an. Wenn der Turner viel Schwung holt, turnt er schnell und wenn nicht, langsam. Das ist wie beim Fahrrad. Wenn man im Rhönrad steht, kann man schlecht sagen, wie schnell man ist. Hinterherlaufen kann man noch.

Und wie bremst man?

Durch Gewichtsverlagerung. Wenn man in Seitstellung mit vollem Karacho auf die Wand zufährt, läßt man mit der Hand los, die zur Wand zeigt. Dann kann man sich noch ein Stück zur Seite legen und das Rad hält. Wenn nicht, landet man an der Wand. Das bremst auch.

Kommt es oft zu Verletzungen?

Nicht zu schweren. Man fährt sich öfters über Finger oder Zehen. Ich habe mir mal die Rippen geprellt. Selten bricht sich einer den Arm.

Und zusätzlich kriegt man einen Drehwurm vom ständigen Rumturnen..

Den gibt's nicht. Viele Leute fragen zuerst, ob mir nicht schlecht wird und ich kotzen muß. Aber wir hatten noch keinen, dem irgendwie schwindlig wurde. Das ist selbst bei Anfängern noch nie vorgekommen.

Außenstehende können mit Deinem Sport wohl nicht viel anfangen?

Die Leute fragen mich nie, was man mit einem Rhönrad alles machen kann. Es müßte die doch eigentlich interessieren, daß man nicht nur alleine rumrollt.

Sondern?

Man kann auch zu zweit Berg- und Talturnen. Sogar zu sechst, wenn alle fast dieselbe Größe haben. Außerdem kann man mit mehreren Rädern nebeneinander Synchronturnen, übers Rad rüberlaufen und springen. Man kann sehr viel damit machen. Wenn ich in Seitstellung turne, bleibe ich auch mal überkopf stehen, um zu gucken, wie das so aussieht. Wir haben auch mal überkopf Wasser getrunken. Das ist zwar kompliziert, bringt aber Spaß..

„Wie im Film: nur Wüste und eine lange Straße“

Beim Handstand geht das nicht.

Das Praktische ist, daß man beim Rhönradturnen die Hände frei hat. Man muß sich erst daran gewöhnen, aber dann geht es.

Rostet das Rhönrad nicht, wenn Wasser drankommt?

Uns ist bisher nur ein Rad kaputt gegangen, aber nicht wegen Rost, sondern weil es abgenutzt war. Ansonsten wird es geputzt, wenn es allzu dreckig ist. Außerdem sollte man es zu zweit tragen und nicht ziehen, denn davon werden die Mäntel abgescheuert (die Kunststoffbeschichtung; die Red.).

Den Transport dieser Riesenteile stelle ich mir schwierig vor. Der Durchmesser beträgt ja bis zu zwei Meter und 30.

Wir zurren die Räder auf einem Anhänger fest. Es geht aber auch anders. Bei einer Meisterschaft ist jemand mal mit seinem VW Käfer gekommen, da war das Rad drübergelegt, in zwei Hälften geteilt.

Wenn die taz Dir eine bestimmte Strecke zur Verfügung stellen könnte, wie würde die aussehen?

Es wäre ganz lustig, eine lange gerade zu haben, vielleicht leicht bergig. So eine wie im Film: außen nur Wüste und dann eine lange Straße.

Fragen: Folke Havekost

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen