: Im Dschungel der Gesetze Förderungsgesetze
■ Wie und warum AusländerInnen durch alle Netze der Ausbildungsförderung fallen
Wer als mittellose MigrantIn in Deutschland eine Berufsausbildung machen möchte, hat schlechte Karten. Die Formulierungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sowie die übliche Auslegung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) verhindern systematisch die finanzielle Förderung und damit die Ausbildung von Menschen nicht-deutscher Herkunft.
Rafik B. (Name von der Red. geändert) kam vor vier Jahren als Asylbewerber nach Deutschland. Als er 1993 nach seiner Heirat zur deutschen Ehefrau zog, ging die Einladung der Ausländerbehörde zum asylentscheidenden „Interview“ im Adressenwirrwarr unter. Der Brief erreichte ihn nicht, und so konnte das Asylverfahren nicht positiv abgeschlossen werden. Das schien zunächst unproblematisch, denn Rafik B. erhielt aufgrund seiner Ehe eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung, die ab März nächsten Jahres in eine unbefristete übergehen wird.
Im Mai desselben Jahres begann er eine auf ein Jahr beschränkte Berufsorientierungsmaßnahme als Tischler bei der „Bremer Arbeitslosenselbsthilfe e.V“ (BRAS). Die Maßnahme wurde gemäß §19 BSHG gefördert. Noch vor Ablauf erkundigte sich der Afrikaner nach Möglichkeiten der Weiterbildung und erfuhr, daß zum 1. September bei der dem Sozialamt angeschlossenen „Werkstatt Bremen“ eine Ausbildungsstelle als Tischler vakant war. Um Rafik B. einen nahtlosen Übergang zu ermöglichen, wurde nach Absprache mit dem Arbeitsamt und der Werstatt Bremen die Berufsorientierungsmaßnahme bei der BRAS ausnahmsweise um vier Monate verlängert.
Das Entgegenkommen von Arbeits- und Sozialamt schien die Zukunft der Eheleute auch langfristig finanziell zu sichern, und so startete Frau B. zum Wintersemster –94 ein schon länger geplantes Hochschulstudium. Als aber Rafik B. am 1. September seine Tischlerausbildung bei der Werkstatt Bremen aufnahm, mußte er erfahren, daß er keine Ausbildungsbeihilfe bekommt. Als gesichertes Einkommen stehen ihm lediglich 470 Mark vom Arbeitsamt zu.
In den Genuß der gemäß §40 AFG üblichen Berufsausbildungsbeihilfe, die den Lohn auf etwa 900 Mark aufgestockt hätte, kommt Rafik B. nicht. Das Arbeitsamt verweigert die Beihilfe, denn er ist weder Deutscher noch EG-Ausländer, noch anerkannter Asylberechtigter. „Andere Ausländer“, regelt der §40 AFG, werden erst förderungsfähig, wenn sie bereits fünf Jahre erwerbstätig waren, oder zumindest ein Elternteil während der letzten sechs Jahre drei Jahre in Deutschland gearbeitet hat.
Rafik B. beantragte daraufhin ergänzende Sozialhilfe, doch auch das Sozialamt verweigert jegliche Hilfe: „Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des AFG grundsätzlich förderungsfähig ist, haben keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt,“ heißt es in einer Stellungnahme. Ob der Auszubildende die Voraussetzungen des §40 AFG erfüllt, sei nicht entscheidend, sondern nur, ob die Ausbildung als solche förderungsfähig sei.
Der von Rafik B. eingeschaltete Anwalt legte Widerspruch ein und plädierte auf Härtefall. Schließlich sei dem Sozialamt ein „Beratungsverschulden“ zuzuschreiben, als es Rafik B. zu einer finanziell ungesicherten Ausbildung riet. Ein Härtefall aber, wird die taz von der Sachbearbeiterin des Sozialamtes belehrt, sei nur gegeben, wenn etwa im letzten Prüfungssemster die Studienbeihilfe ausfällt. Folge: Das Sozialamt lehnt beinahe ausnahmslos die jährlich circa 30 Härtefallanträge nach §26 BSHG ab. „Was bei uns ankommt, wird in der Regel auch als unbegründet zurückgewiesen.“
Dabei hat laut Anwalt das Sozialamtes durchaus einen Entscheidungsspielraum, der hier nicht genutzt wurde. Das Arbeitsamt hat dagegen mit dem AFG juristisch klare Vorgaben. „Wir können uns doch nicht einfach über das AFG hinwegsetzen“, gibt sich die Mitarbeiterin des Arbeitsamtes der taz gegenüber empört. Andererseits: Hätte Rafik B. nicht mit der Ausbildung begonnen, müßte das Arbeitsamt ihm monatlich 1200 Mark Arbeitslosengeld zahlen, statt der Beihilfe von 430 Mark.
Diesen Betrag zahlen dem Auszubildenden nun die ehemaligen KollegInnen von der BRAS, die die Absurdität des Verfahrens nicht nachvollziehen können. Doch die Ersparnisse gehen zur Neige. Was dann passiert, weiß niemand. Rafik B.: „Die Ausbildung ist für mich als Ausländer die einzige Chance. Ich muß unbedingt durchhalten, sonst ist mein ganzes Leben verdorben.“ Er könnte gegen den Bescheid des Sozialamtes klagen, doch der einschlägig erfahrene Anwalt schätzt die „Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Auseinandersetzung als eher gering“ ein. Dora Hartmann
Finanzielle Hilfen für Rafik B.: Sparkasse Bremen, Kto-Nr. 12297552, Stichwort „Afrika“.
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