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: Einstürzende Kongreßhalle

Von Senats- und Bundesregierungsseite wird immer mal wieder die Finanzierung der Weltkultur- Kongreßhalle (HdKdW) in Frage gestellt. Von letzteren, um das ideal gelegene Tagungsgebäude ganz mit Beschlag zu belegen. Doch die andere Seite ist auch nicht untätig: Innen besetzte sie im Winter sämtliche Abteilungsleiterstellen mit veritablen Goethe-Rängen, außen legt sie sommers einen ausländischen Grillring nach dem anderen um den güldenen Henry-Moore- Klumpen. Dafür wurde an der Halle sogar ein Wasserhahn installiert, aus dem sonntags so viele Hektoliter gezapft werden, daß es nicht mal mehr für die zwei knietiefen Bassins reicht – was immerhin alle deutschen Schiffsmodellbau-Bastler, verhinderte Marinerichter allesamt, vertrieb.

Dann verklammerte sich dieser geballte Multikulti auch noch mit dem gleichnamigen SFB-Sender, der nun mit Fug und Recht behaupten kann, er hat noch einen Container hinterm HdKdW. Neulich entdeckte ich außerdem, daß man klammheimlich den Gedenkstein umgesetzt hatte für den Gefreiten Will vom I. Esc II. G.U.Regts, der am 14. 8. 1889 an der heutigen John-Foster-Dulles- Allee vom Blitz erschlagen wurde. Den Stein hat man näher an die Kongreßhalle rangestellt – und korrespondiert so quasi mit jener Gedenktafel, die an den SFB-Redakteur Hartmut Küster erinnert, der am 21. 5. 1980 von der Kongreßhalle erschlagen wurde, deren allzu gewagte Konstruktion nach 24 Jahren weich geworden war.

Einer der Architekten, Mocken, hatte dies bereits kurz nach der Einweihung, 1956, befürchtet. Er starb gottlob vor dem Einsturz. Seinem Sohn Carsten hinterließ er einen Weinberg in Brasilien, den dieser dann versilberte, um sich mit dem Geld als reisender Holzdach-Konstrukteur selbständig zu machen. Auch ein Wagnis. Aber zurück zur Küster- Gedenktafel, die ihrerseits korrespondiert zur Marmortafel im Hausinneren. Mit der Marmortafel soll an die laut Christa Wolf „erste weibliche Intellektuelle“ Bettina von Arnim erinnert werden, die dort einst ihren Salon im Stadthaus, in den Zelten 5 hatte, wo dann am 20. Januar 1859 auch „ihre schöne große Seele hinüberging“ (Johannes Werner). Die Goethe-Verehrerin, die sich ihrerseits von Marx und Bakunin verehren ließ, wird vom Rowohlt- Biographen wegen der vielfältigen Unterstützung Verfolgter als Ein-Frau-amnesty-international- Unternehmen bezeichnet.

Bettina von Arnim konnte aber auch anders: Im September 1820 berichtete sie ihrem Mann nach Wiepersdorf über einen Besuch bei Schleiermacher, der an der Humboldt-Universität lehrte und an einer Verdiesseitigung des Christentums arbeitete: „Seine Frau ging einen Augenblick hinaus. Da wollte er mich küssen, welches ich aber sehr geschickt und kaltblütig ausparierte. Der Sappermenter! ... Ich hab' mich doch sehr geändert; sonst hätt' ich ihm wahrscheinlich eine Rippe eingetreten.“ Für Goethe hatte die Arnim einen „problematischen Charakter“, Robert Schumann widmete ihr zuerst sein „letztes Werk“, dann versuchte er sich am Rosenmontag 1854 im Rhein zu ertränken, schwamm jedoch wenig später wieder ans Ufer und wurde irre. Soviel zu den drei Schildern. Sollten sie uns nicht jetzt, da wieder mal die Finanzierung des HdKdW „abgesichert“ werden konnte, ganz besonders zu denken geben? Ich denke nein! Helmut Höge

wird fortgesetzt