: Auf dem Rücken der geliebten Pferde...
■ Reiten ist ein beliebter Freizeitspaß, einen Reiterhof zu finden kein Problem
Wenn man nur seinen Augen traut, dann sieht man auf Deutschlands Weiden immer mehr Pferde stehen. „Klar doch“, so erklärt Jenny Liebreiz, „Pferde sind süß.“ Die 14jährige tourt seit einigen Jahren während der Schulferien über kleine Reiterhöfe im Vogelsberg. Es gefällt ihr. Denn die Schule nerve, die Stadt stinke, meint sie und fächelt den Qualm meiner Zigarette beiseite. Da draußen gebe es liebe Pferde zum Reiten, und die Nächte mit Freundinnen seien echt witzig.
Einen Reiterhof zu finden ist kein Problem. Seit unsere Gesellschaft den Freizeitspaß ganz groß schreibt, geht es mit dem Tierbestand aufwärts. Ungefähr eine halbe Million Pferde wurden zuletzt (in den alten Bundesländern) gezählt. 1970 waren es bloß halb soviel. Damals war der Nachkriegstiefstand erreicht (1950 gab es noch über 1,5 Millionen Pferde). Fast in jeder Gemeinde, die landschaftlich einigermaßen attraktiv für Freizeitler ist, sind Reiterhöfe entstanden. Nicht nur für Reitprofis. Für Kinder, Familien, Schulklassen, gibt es Angebote auf Bauernhöfen. In FN-geprüften Betrieben (Qualitätssiegel der Deutschen Reiterlichen Vereinigung) unterrichten Reitlehrer in Reit- und Fahr-, in Dressur-, Spring- und anderen Techniken. Viele dieser Betriebe sind an soziale Einrichtungen angegliedert und bieten therapeutisches Reiten. Reithotels und -Clubs oder Gestüte in traditionellen Zuchtgebieten wie Schleswig-Holstein sind zumeist in eine größere touristische Infrastruktur eingebunden und offerieren zusätzlichen Freizeitspaß. Oder sie geben organisierten Wanderreitern Unterkunft. Für jedermanns Glück auf dem Rücken der Pferde ist gesorgt, sei es mit harter Arbeit für den Reiterpaß oder mit Relaxingprogrammen. Auch der „Elitesport“ Reiten wird zum„Breitensport“.
Die Idylle der Reiter wird allerdings von starken Reglementierungen getrübt. Ge- und Verbote begleiten jeden, der in der Landschaft unterwegs ist. 1973 organisierten sich die Freizeitreiter. Sie verhinderten immerhin den Totalrausschmiß aus dem Wald, der mit dem Bundeswaldgesetz Mitte der siebziger Jahre drohte. „Angeblich rempeln Reiter Fußgänger an oder erschrecken Mütter mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer im Wald – dabei sind es vor allem die Jäger, die gegen die Reiter sind“, sagt Jutta Meß von der Vereinigung der Freizeitreiter. Unter regionalpolitischen Gesichtspunkten wird das Freizeitreiten natürlich begrüßt. Es schafft Arbeitsplätze auf dem Land und kleinen landwirtschaftlichen Betrieben eine Überlebensmöglichkeit. Und wo die Milchwirtschaft zurückgeht und Pferde auf den Weiden die Kühe ersetzen, bleibt das Landschaftsbild intakt.
Was fehlt ist ein Reitwegewandernetz, damit auch die alten Konflikte mit dem Naturschutz geregelt werden, verlautet aus dem Landwirtschaftsministerium. Bislang gibt es erst einen Weitwanderweg: den „Trabweg West“. Er führt rund 1.000 Kilometer vom Elsaß aus nach Norden und ist das Ergebnis einer Privatinitiative. Am liebsten ist der Wanderreiter aber querfeldein unterwegs. Jutta Meß erhofft sich mehr Freizügigkeit. „Wer ist schon so sanft wie wir unterwegs?“ fragt sie.
Bei aller Liebe zum Pferd: So einfach nach Westen reiten, immer den Horizont im Blick – das gibt es nur noch im Kino. Christel Burghoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen