: Stabiler Trend: Bier statt Beats
■ "Zentrifugal", "FSP" und "Mental Disorda" schafften es im Freizi Alt-Aumund kaum, das Publikum von der Theke wegzulocken
Die Resonanz auf HipHop-Events im Freizeitheim Alt-Aumund ist unberechenbar. Zwar hat sich schon jeder, der einen Trainingsanzug und einen Edding hat, in den sanitären Anlagen verewigt, aber wenn zum HipHop-Jam gerufen wird, ist schwer zu sagen, ob der Saal aus allen Nähten platzen oder vor Leere gähnen wird. Am vergangenen Freitag war letzteres der Fall. Dabei hatte man eine durchaus vielversprechende Mischung zusammengestellt: die erfrischend undoofen „Zentrifugal“ waren noch von der „Murder was the Case“-Party im Wehrschloß angenehm in Erinnerung, „FSP“ hatten laut Ko-Organisator Lars Schirmer „schon- mal in Schwanewede gespielt, und das ging da ganz gut ab“, und die Hamburger „Mental Disorda“ sind nicht nur bemerkenswert, weil ihr Front-Rapper Brille und Fönfrisur statt Streetwear trägt.
Schaffte der eröffnende Gast-Rapper MC (oder DJ?) Rasputin es schon kaum, jemanden für seine bemühten aber letztlich belanglosen Reime zu interessieren, spielten „Zentrifugal“ den Saal konsequent leer. Schade eigentlich, denn sie hatten zweifelsohne die besten Songs des Abends. Mit „Weitsicht gegen Fern- sehen“ oder „Verflucht, wer die Flucht in der Sucht sucht“ setzten sie auf löbliche Botschaften, mit „Begebenheiten aus meiner Gegend“ kamen die Bremen- sien nicht zu kurz. Schön auch, daß sie ihre Tracks nie bis zur Übersättigung ausreizten, sondern schnell auf den Punkt und ohne viel repetatives Gedudel zum Schluß kamen. Musikalisch überzeugten sie derweil als DJ/Rapper-Duo weniger als in der Band-Besetzung, in der sie kürzlich das Wehrschloß beglückten. Ihre Niederlage im Freizi trugen sie mit Humor: „Vielen Dank, daß ihr so viel Platz gemacht habt, damit wir so weit gucken können.“
Mehr Erfolg hatten die ebenfalls Bremer ,,FSP“, die von einem minderjährigen Gast-Rapper eingeleitet wurden, der aussah wie ein Gangsta-Schlumpf. Worte wie „Crack“ oder „Hardcore“ waren aus seinem Gemurmel herauszuhören. „FSP“ selbst ließen sich nicht von der Publikumsmüdigkeit ins Bockshorn jagen, sondern baten die Thekensteher so oft und energisch, nach vorne zu kommen, daß dem tatsäch- lich nachgekommen wurde. Für einige Songs kam so etwas wie Stimmung mit Gehüpfe und einem einsamen Stagediver (mehr wäre bei der Publikumsdichte auch nicht ratsam gewesen) auf. Vielleicht hätten sie einmal weniger fragen können, ob denn Vegesack und alle anderen Stadtteile „im Haus“ seien, aber ihr unbändi ger Wille zur Kommunikation und eine runde musikalische Mischung aus Party- HipHop und Hardcore machten sie zum Höhepunkt des Abends.
Intimer wurde es wieder bei „Mental Disorda“, die mit englischen Texten gegen amerikanische Gangster-Klischees angehen wollten. Es standen nur noch so wenige vor der Bühne, daß die Band gezielt kommunizieren konnte: Und wo kommst du so her?“ Einzige Reaktion aus dem Publikum: „Könnt ihr mir eure Beck's-Flaschen geben? Da gibt's Pfand drauf.“ Verständlich, daß sich das angekündigte Freestyle- Rappen nach dem Konzert von selbst erledigt hatte.
Andreas Neuenkirchen.
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