: "Hauptsache, der Text hat Dialoge"
■ Bremer Buchlese(6): Wie das "Literarische Duett" Eingang in den Offenen Kanal findet / Was Richy Blaine und Rosa Belle dazu gebracht hat, einen Liebesroman vorzulesen und von den Schwierigkeiten vorm
Donnerstag, 11.05, Offener Kanal, Hörfunk-Frequenz: 92,5 Pathetisch blasen die Fanfaren zu Richard Strauss: „Also sprach Zartustra“. Der Titel der Sendung, „Literarisches Duett“, könnte auf ein Armdrücken mit Marcel Reich-Ranickis telegenem Gipfeltreffen der Großkritiker verweisen.
An das Ohr des Hörers dringen in den folgenden 60 Minuten die verträumten Sätze der Liebesgeschichte von „Griffin und Sabine“. Eine sprachliche Romanze zweier Zeitgenossen zwischen Europa und den Westindischen Inseln, verfaßt als Briefroman, wie ihn schon der junge Werther schrieb, der nun im Radio von Richy Blaine und Rosa Belle verlesen wird.
Nach der Sendung, Interviewtermin mit den Radiomachern: Der Mann der sich hinter der Stimme von Richy Blaine verbirgt, im Telefonbuch ist er unter Walter Bemmann zufinden. Seine Radiopartnerin Rosa Belle arbeitet als freie Schauspielerin unter dem bürgerlichen Namen Ute Briess.
Auf die Pilotsendung soll ein längerfristiges Literaturprojekt folgen, einmal im Monat am Donnerstag wird das „Literarische Duett“, als erste Literatur-Sendung des Offenen Kanals tagen. Weil sie „selber gerne was vorgelesen bekommen“ haben sie die Mühe auf sich genommen Texte, nach eigener Wahl einem breiten Publikum vorzustellen. Beim Offenen Kanal bedeutet das: alles selbst machen, unzählige unentgeltliche Arbeitsstunden, aber im Gegenzug kostenlose Nutzung professioneller Studiotechnik.
Wie man denn darauf verfallen sei, ausgerechnet den Briefroman des eher unbekannten englischen Autors Nick Bantock,“ Griffin und Sabine“ im Radio vorzulesen? Naja, erinnert sich Richy alias Walter, so groß sei die Auswahl eigentlich nicht gewesen. Und dieser Text habe halt von der Länge her gepaßt, ließ sich in genau 60 Minuten lesen und mußte nicht mehr bearbeitet werden. Die Qualität des Textes und seiner Übersetzung hat das Literatur-Duo kaum gestört, schließlich ging es ihnen eher darum, mal was zusammen zu machen und das Kriterium des Dialogischen erfüllt die Vorlage allemal. Nein, als Literaturkritiker verstünden sie sich eh nicht, entäuscht Ute meine Hoffnung auf einen Bremer Kritiker-Papst im Doppelpack. Alle die Bücher, über die man dann zu sprechen hätte, müßte man doch zuvor lesen, das sei eindeutig zu viel Arbeit. Für das Literarische Duett dürfe der Zugang zur Literatur keinesfalls zu verkopft sein. Immer wieder betonen sie unabhängig voneinander ihr praxisbezogenes, konkretes Literaturverständnis. Kennengelernt haben sich Ute und Walter in der „Schreibgruppe für Anfänger und Fortgeschrittene“ im Literaturkontor.
Für Ute Briess, die ausgebildete Schauspielerin, die zur Zeit mit einem eigenen Stück über Eßstörungen bei Frauen, „Wenn der kleine Hunger kommt“ auftritt, gehört das Schreiben schon seit Jahren dazu: Ihr Ziel sei zwar nicht der große Roman, aber wer weiß. Zur Zeit geht es ihr darum, Texte die „menschlich und intelligent sind, Witz und Herz haben“ zu verfassen. Oft ist das ein langwieriger Prozeß, an dessen Ende dann die Erkenntnis steht : „Ich kriege durch meine Texte erst ein deutliches Bild von dem, was ich sagen will.“
Die große Entscheidung stand für Walter Bemmann vor der Literatur. Fünf lange Jahre lang hat er es in seinem Brotberuf als Bankkaufmann ausgehalten. Als man ihn in die Kreditabteilung aufsteigen ließ, störte ihn schon seit langem, daß „die Leute nur aus Kontoständen bestehen.“ Den Ausschlag gab dann die Erkenntnis über die Ungerechtigkeiten der Kreditvergabe und letztlich die Auseinandersetztung mit dem Abteilungsleiter darüber, daß „einer mit einer Lobby den Kredit kriegt, während eine alleinerziehende Mutter, die wirklich bedürftig ist, leer ausgeht.“ Vor einem dreiviertel Jahr hat Walter Bemmann sich in beiderseitigem Einverständnis von seinem Arbeitgeben getrennt. Jetzt hat er in seiner Worpsweder Enklave endlich genung Zeit zum Schreiben. Mit seinem Credo von der Literatur als dem „Wort gewordenen Gefühl“, hat er in der Kunst einen Gegenpol zu den rational-brutalen Zwängen des alten Berufs gefunden, und das hilft bei der Verarbeitung. Zur Zeit schreibt er an einer Geschichte aus seiner Arbeitswelt mit dem Titel „Juicy Payday“
Die Möglichklkeiten im Offenen Kanal so etwas wie das Literarische Duett auszuprobieren kamen gerade recht, und ein bißchen Ehrgeiz wird auch geweckt. „Das O.K.-Fernsehen wird ja belächelt von Profis“ weiß Walter Bemmann, aber beim Radio sei das doch anders. Er könne sich schon vorstellen, auch eine professionele literarische Sendung zu machen, träumt er in die Zukunft. Allerdings hat der technischen Aufwand, den die Produktion der einstündigen Sendung verlangt, die Macher ein wenig schockiert. Stundenlang haben sie gelesen und aufgezeichnet und dann wieder gelesen und dann wieder, denn „man verspricht sich ja so häufig, wenn das Mikrofon alles dokumentiert.“ Erstes Resumee der Studioarbeit: Die ausgebildete Schauspielerin tut sich beim Lesen wesentlich leichter als der Novize vor dem Mikrofon. Walter hingegenen ist von den technischen Möglichkeiten begeistert. „Unsere Begabungen liegen auf verschiedenen Gebieten.“ lautet die diplomatische Zwischenbilanz. Für die Zukunft ist mehr und Großes geplant. Der Briefwechsel zwischen Anais Nain und Henry Miller. Die dialogische Struktur ist auch bei dem berühmten schreibversessenem Liebespaar gegeben und an der literarischen Vorlage hätte nicht einmal das Literarische Quartett etwas herum zu mäkeln.
Susanne Raubold
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen