Gen-Mäuse in der Grauzone

■ Das Europäische Parlament lehnt die umstrittene Vorlage zur Patentierung von Genen ab

Berlin (taz) – Das Europäische Parlament hat die umstrittene „Richtlinie zur Patentierung von biotechnologischen Erfindungen“ gestern überraschend abgelehnt. Von den 451 anwesenden Abgeordneten sprachen sich 240 gegen die Patentierung von Pflanzen, Tieren und menschlichen Körperteilen aus. Die Parlamentarier sind damit ihrem im vergangenen Jahr gefaßten Beschluß, die Patentierung von menschlichen Genen grundsätzlich abzulehnen, treu geblieben. Das seit sieben Jahren in Brüssel diskutierte Regelwerk ist damit endgültig abgelehnt. Für eine Neuauflage müßte die Kommission der Europäischen Union eine gänzlich neue Gesetzesinitiative starten. Der unter Federführung des Europaabgeordneten der SPD, Willi Rothley, im Vermittlungsausschuß erarbeitete Kompromißvorschlag sah eine allgemeine Erlaubnis zur Patentierung von biotechnologischen Erfindungen vor. Tiere und Pflanzen sollten ohne Einschränkung patentierbar sein. Die Vergabe von Patentrechten für menschliche Körperteile wie Zellen, Proteine und Gene wäre zulässig geworden. Erstmals wären auch therapeutische Verfahren unter Patentschutz gestellt worden; selbst Patente für die in den meisten Ländern verbotene Genmanipulation der Fortpflanzungszellen, die Keimbahntherapie, sollten patentfähig werden.

Für die Europaabgeordnete der Grünen, Hiltrud Breyer, ist das Abstimmungsergebnis ein „großer Erfolg“. Das Parlament hat damit verhindert, daß ein „ethischer Dammbruch stattfindet“. Die ethischen Fragen waren es dann auch, die zum Nein der Mehrzahl der Abgeordneten geführt haben. Mit der Richtlinie sei „die Züchtung von Menschen nicht mehr weit“, begründete die Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktionsmitglieder ihre Ablehnung.

Anstatt die bereits bei den Patentämtern praktizierte Vergabe von Patenten auf Pflanzen und Tiere einzuschränken, wären mit der Richtlinie, so die SPD-Abgeordnete Evelyn Gebhardt, „die Möglichkeiten des Europäischen Patentamtes, Patente zu genehmigen, noch erweitert“ worden. „Für den Schutz der Pflanzen und Tiere ist es so besser.“ Für sie kommt es jetzt darauf an, ein Regelwerk zu erarbeiten, in dem klar dargelegt werden soll, „was wir wollen und was nicht“.

Auch für Breyer ist mit dem jetzt gefaßten Beschluß „noch einmal deutlich geworden, daß das Europäische Patentamt in München kein Votum hat für die großzügige Auslegung“ des bestehenden Patentrechtes. Sie ist der Meinung, daß viele der Münchener Patente sogar klar „gegen das Patentrecht verstoßen“.

Dort sind bereits über 1.000 Patente für biotechnologische Erfindungen vergeben worden, über 5.000 weitere Anträge liegen vor. Ob die Münchener Patentschützer ihre Vergabepraxis für den milliardenschweren Zukunftsmarkt jetzt ändern, bleibt abzuwarten. Wolfgang Löhr