Gedenkbuch mit Hindernissen

■ FU-Forscher ermittelten über 55.000 Holocaust-Opfer

Es war eine noble Idee, als der Senat 1987 beschloß, die Erstellung eines Gedenkbuches für die von den Nazis ermordeten Berliner Juden in Auftrag zu geben. Doch ein Beschluß braucht „engagierte Leute, die ihn umsetzen“, weiß Rita Meyhöfer aus leidvoller Erfahrung. Die Politologin arbeitet seit Anfang 1989 in einer Forschergruppe des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität, die durch mühsame Archivstudien und mit Hilfe moderner Datentechnik den Ermordeten ihr Gesicht wiedergegeben hat: Name, Geburtsdatum, Anschrift und Todesort von 55.487 ermordeten Berliner Juden konnten in mühevoller Kleinarbeit ermittelt werden.

Am Eifer der Forschergruppe unter Leitung von Dr. Klaus Sühl mangelte es nicht, doch am Engagement des Gedenkstättenreferats in der Senatskulturverwaltung. Zunächst lag der Senatsbeschluß wegen fehlender Mittel auf Eis, bis 1989 die FU-Wissenschaftler dank einer Anschubfinanzierung der Stiftung „Preußische Seehandlung“ ihre Arbeit aufnehmen konnten. Als Grundlage diente das monumentale, aber zwangsläufig fehlerhafte Gedenkbuch des Bundesarchivs Koblenz. Darüber hinaus wurden weitere, bislang unerschlossene Quellen ausgewertet.

Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen. Über 3.000 Berliner Einzelschicksale mehr als im Gedenkbuch des Bundesarchivs konnten ermittelt werden. Doch dann lösten die Publikationspläne des Gedenkstättenreferats bei den FU-Forschern helle Empörung aus. Für eine pressewirksame Übergabe sollte ein repräsentatives Exemplar angefertigt werden, ansonsten sollte der Datensatz nur auf CD-ROM zugänglich sein. Für einen Druck des umfangreichen Werkes fehle das Geld, und außerdem habe man mit der Erstellung des Datensatzes seine „Bringschuld“ bereits erbracht, wurde in der Senatskulturverwaltung forsch argumentiert. Dabei wurde das FU-Projekt im wesentlichen aus Lottomitteln und dem „Aufschwung Ost“-Topf finanziert.

Vor allem wäre es nach Ansicht von Rita Meyhöfer eine Zumutung für die oft hochbetagten Überlebenden, wenn sie erst die Hürde einer hochkomplizierten Technik überwinden müßten, um die Namen ihrer Angehörigen zu finden: „Das wäre ein Vorzeigebuch, damit der Senator eine gute Presse hat, aber die Opfer bekommen es nicht zu Gesicht“, klagt sie.

Erst gestern hat man sich im Kultursenat durchgerungen: Das 1.500 Seiten umfassende Werk soll nun doch in Buchform erscheinen – in einer Auflage von 500 Exemplaren. Wegen der Druckkosten in Höhe von 60.000 Mark wird mit Sponsoren verhandelt, darunter die Jewish Claims Conference, die für ihre Recherchen nach erbenlosem jüdischen Eigentum ein Interesse am Datensatz hat.

Ohne den medienwirksamen Fototermin wird es am Ende doch nicht gehen. Der Kultursenator möchte ein repräsentativ eingebundes Exemplar des sonst nur als Hardcover erscheinenden Buches am 8. Mai in einer Feierstunde der Jüdischen Gemeinde überreichen. Horst Seferens