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Wenn zum Glück der Partner fehlt

■ Sicherheitsorientiert, kontaktsuchend, plauderbereit: Die Singles auf Reisen

Zum Beispiel Frau Schmidt: Vorname Susanne, 45 Jahre alt, Wahlberlinerin und Witwe. Vor ziemlich genau fünf Jahren passierte das Malheur. Sie hatte die Skier auf ihren Kleinwagen geschnürt, Schuhe, Stöcke und Klamotten auf die Rückbank gestopft, um ins tiefe Österreich zu brausen. Wedeln im weißen Winter. Welch Wonne, dachte Frau Schmidt, drückte der Freundin einen Abschiedskuß auf die Wange und lief zum Parkplatz. Doch das Auto war weg. Gestohlen. Der fiese Vorfall brachte Frau Schmidt zunächst auf die Palme, und dann nach Korfu. Wütend, aber ungetrübt urlaubshungrig, entdeckte sie nämlich eine klitzekleine Anzeige: Ein Singlereiseveranstalter lud zu einem Trip auf die griechische Insel ein. Seitdem baut Frau Schmidt nur noch auf organisierte Singlereisen. Mehrmals im Jahr. „Eine Singlereise“, sagt Frau Schmidt, „ist Treffpunkt für Menschen, keine Partnervermittlung.“

Christina Wierzimok vom Deutschen Seminar für Fremdenverkehr (DSF) sieht das nicht anders. Oft ist sie gefragt worden, ob Alleinreisende nicht vom Gedanken an die heiße Sommeraffäre in den Urlaub getrieben werden. „Singles“, sagt sie, „das sind ganz einfach gesellige und sicherheitsorientierte Menschen, die Angst vor Anmache haben.“ Die Reiseanalyse zählt davon über vier Millionen. Was nicht wundert: Seit 1990 ist der Anteil der Einpersonenhaushalte von 7 auf 35 Prozent gestiegen. Alleinsein liegt im Trend. Das DSF hat aus diesem Anlaß vor wenigen Monaten erstmals einen Fachkurs angeboten. Herausgekommen ist dabei, daß Alleinreisende von der dauerboomenden Reisebranche vielfach alleine gelassen werden: Singlereiseveranstalter sind rar, und Reisebüros versuchen Singles oft kurzerhand mit Ferienclubs abzuspeisen.

Singles gelten als Egozentriker und Hedonisten. Freizeitforscher umschreiben die Lonely hearts so: Sie sind zwischen 25 und 49 Jahre alt, genießen die Mußestunden, wollen „auf nichts verzichten“. Auf Reisen ist ihnen nur eines gemeinsam: Singles wünschen mehr abendliche Angebote, Reiseleiter müssen sie intensiver betreuen. Und wenn das alles klappt, werden sie gerne Stammkunden. „Auf jeder Fahrt treffe ich ein paar Leute wieder“, sagt Frau Schmidt.

Alleinreisende geben etwa 450 Mark mehr aus als Urlauber mit Partner: Für die schönen Wochen des Jahres zahlen Singles im Durchschnitt 1.900 Mark. Ein dicker Batzen geht für Ausflüge, Souvenirs und Krimskrams drauf. Und natürlich für die Einzelzimmerzuschläge. „Das ist immer noch ein großes Problem“, klagt der Leiter des größten deutschen Veranstalters für Singlereisen, „vor allem Schweizer Hoteliers stellen sich äußerst stur.“ Gleichwohl stehe der Norden neben dem „Dauerbrenner Griechenland“ ganz oben auf der Hitliste der Singlereisenden: insbesondere Schottland und Irland.

Singles – Menschen, denen zum Glück der Partner fehlt? Mit Pärchen wollen sie auf ihren Touren nichts zu tun haben. Das bringt oft dicke Luft. Der Grund: zu viele „zickige Ehefrauen“, die ständig Muffe haben, daß ihnen alleinstehende Urlauberinnen den Mann ausspannen.

Das Berliner Reisebüro „Single-Tours“ bietet neuerlich auch Flirtkurse an – und wirkt damit indirekt einem traurigen Trend entgegen: Singles nämlich, auch das wissen die Freizeitforscher, werden öfter krank und sterben früher. Tomas Niederberghaus

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