Wahlkampf mit Banane

Wirtschaftssenator in der Reifekammer: „Solange ich Senator bin, ...“ / Großmarkt wird doch nicht privatisiert / Händler trotzdem beunruhigt  ■ Von Peter Lerch

Schlaff baumelte die Deutschlandfahne von der Fahnenstange am Haupteingang der Halle D des Großmarktes. Bereits seit sechs Uhr früh froren sich zahlreiche Reporter an der Beusselstraße in Moabit die Quanten ab, um den Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) bei Begehung des Marktgeländes zu begleiten. Grund für den prominenten Besuch zu früher Stunde: In der Öffentlichkeit waren Pläne der Senatsverwaltung für Finanzen bekanntgeworden, den „Bauch von Berlin“ teilweise zu privatisieren.

Der Wirtschaftssenator rückte eine halbe Stunde später an, um die von den Überlegungen des Finanzsenators Elmar Pieroth (CDU) beunruhigten 86 Frucht- und Fleischgroßhändler zu beschwichtigen: diese befürchten durch eine Privatisierung einen erheblichen Anstieg der Gewerbemieten in den Großmarkthallen. Meisner versprach: „Solange ich Wirtschaftssenator bin, wird es keine Privatisierung geben.“

Rolf Volkmann, Vorsitzender des Berliner Frucht-Import- und Großhandelsverbandes warnte dennoch: „Es wäre eine Katastrophe, wenn es eine Mieterhöhung geben würde.“ Den Großhändlern bliebe keine andere Wahl, als ins billigere Berliner Umland abzuwandern. Und das hätte verheerende Konsequenzen für die zahlreichen Einzelhändler in der Stadt – deren Konkurrenzfähigkeit gegenüber Supermarktketten würde weiter abnehmen. „Der Großmarkt in der Stadt ist eine Voraussetzung dafür, daß Einzelhändler in Berlin existieren können“, unterstrich Meisner die Bedeutung der zentralen Lage im Stadtteil Moabit.

Während mit Kohlköpfen beladene Gabelstapler durch die Schleusen surrten, befummelte Frühaufsteher Meisner exotische Früchte, sprach mit ansässigen Fruchtimporteuren und wurde nicht müde zu versichern, er sei der wahre Vertreter der Interessen der Gewerbetreibenden. Dann bekundete er zunächst sein Interesse an der Bananenreiferei, das ein Beobachter mit der Bemerkung kommentierte, das Interesse am Farbgebungsprozesse der gelben Krummfrucht sei mittlerweile zum politischen Essential gediehen, seit eine Zeitung über eine Bananen- Reifekammer berichtet hatte.

Als Senator Meisner noch Student war, hatte er selbst auf dem Fruchthof geackert. Das war in den fünfziger und sechziger Jahren. Besonders deutlich in Erinnerung ist ihm eine Ladung polnischer Blaubeeren. Die Folgen der damaligen Verladetätigkeit säßen ihm heute noch im Kreuz, erzählte er. Meisner muß sich ständig mit einem Hexenschuß herumquälen.

Nachdem das Interesse des Wirtschaftssenators an den krummen Früchten erloschen war, widmete er sich der fleischverarbeitenden Abteilung des Großmarktes. Das Golgatha eines jeden Vegetariers, mit den zahlreichen Reihen zerstückelter Ferkelchen, absolvierte er in der nonchalanten Art des Politprofis, der auch mal einen blutbespritzten Hubwagen cool an sich vorbeiziehen läßt. Mehr noch, für die Fotografen ließ er sich sogar in Hygienefolie gehüllt und mit Metzgermützchen auf dem Kopf ablichten. Dann hörte er sich die Klagen der Fleischerinnung an, die gerade auf dem Gelände eine überbetriebliche Fachschule für die Berliner Metzger-Stifte im Wert von 2,5 Millionen Mark bauen läßt.

In der anschließenden Pressekonferenz unterstrich er noch einmal die Bedeutung des Marktes für die Tante-Emma-Läden und beteuerte vor den teilweise immer noch verunsicherten Marktgroßhändlern, daß alles beim alten bleiben werde. Auf die Frage nach neuen Privatisierungsvorstößen des Finanzsenators sagte er: „Pieroth ist ein einfallsreicher Mann. Ich kann ihnen nicht garantieren, daß er übermorgen nicht wieder mit einer neuen Idee ankommt und mir damit eine Menge Arbeit macht.“

Unterdessen warnte Finanzsenator Pieroth in einer Presseerklärung vor einer bewußten Verunsicherung der Gewerbetreibenden. „Die Berliner Großmarkt GmbH steht nicht zur Privatisierung an. Wir wollen die Markthallen mit ihren günstigen Mieten erhalten. Alle anderen Szenarien entbehren jeglicher Grundlage“, erklärte dieser und verwies den offensichtlich überflüssigen Vorstoß des Wirtschaftssenators in den Bereich vorgezogener Wahlkampfmanöver.