: Erst vertreiben, dann verhandeln
■ Mexikos Senat verabschiedet einen neuen Friedensvorschlag für Chiapas. Die Haftbefehle gegen Subcomandante Marcos und die anderen Guerilla-FührerInnen sollen ausgesetzt werden
Mexiko-Stadt (dpa/AFP/rtr) – Fast exakt einen Monat nach Beginn der Armeeoffensive gegen die Guerilla im südlichen Bundesstaat Chiapas, bei der auch Tausende Zivilisten aus ihren Dörfern vertrieben worden waren, hat am Mittwoch der mexikanische Senat ein „Gesetz für den Dialog, die Versöhnung und den würdigen Frieden in Chiapas“ verabschiedet. Danach verlangt die Regierung von den Rebellen nicht länger, vor Beginn der Verhandlungen ihre Waffen niederzulegen. Die Haftbefehle gegen führende Zapatisten werden für die Dauer von 30 Tagen ausgesetzt. Die Senatoren hatten vor der Abstimmung noch einige Änderungen in den Gesetzentwurf eingefügt, um der EZLN entgegenzukommen. So werden die Rebellen jetzt namentlich genannt und nicht bloß als „Gruppe von Unzufriedenen“ bezeichnet.
Der Präsident der staatlichen Nationalen Menschenrechtskommission, Jorge Madrazo Cuellar, sagte, die mexikanische Polizei habe nach der Festnahme von mutmaßlichen Zapatisten Menschenrechte verletzt. Seit Jahresbeginn habe die Kommission 379 Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen eingeleitet.
In südmexikanischen Chiapas demonstrierten am Mittwoch mehr als 3.000 Indianer für den Bischof von San Cristóbal de las Casas, Samuel Ruiz. Sie forderten den Rückzug der mexikanischen Armee aus den Indianerdörfern, die das Militär bei seiner Februar-Offensive in dem Konfliktgebiet besetzt hatte. Auch in Mexiko-Stadt demonstrierten am Mittwoch mehrere zehntausend Menschen für die Guerilla in Chiapas. Sie forderten den Abzug der Armee aus Chiapas und den Rücktritt Präsident Zedillos.
Mehr noch als die Situation in Chiapas halten allerdings derzeit immer neue Entwicklungen in den verschiedenen Polit-Skandalen der Regierungspartei PRI die HauptstädterInnen in Atem. Mario Ruiz Massieu, der ehemalige Staatsanwalt und Bruder des im September ermordeten PRI-Generalsekretärs Francisco Ruiz Massieu, der vor einer Woche in den USA wegen eines Devisenvergehens festgenommen worden war, soll nach neuesten Meldungen bereits rund 13 Millionen Dollar ins Ausland geschafft haben. Er war in den Verdacht geraten, bei den Ermittlungen zur Ermordung seines Bruders Informationen unterdrückt zu haben, die auf den damaligen Präsidenten Carlos Salinas hindeuten könnten.
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