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Mit dem Einsatzleiter auf du und du

■ In Bonn will ein „Forum BürgerInnen und Polizei“ für ein entspannteres Verhältnis zwischen den Staatsbürgern auf der Straße und in Unifom sorgen

Bonn (taz) – Mal mit auf Streife fahren, bei einer Demonstration dem Einsatzleiter über die Schulter schauen, hernach mit den Beamten über ihren Einsatz diskutieren – was in Berlin oder Hamburg noch undenkbar scheint, in Bonn soll es möglich werden. Dort trat gestern ein „Forum BürgerInnen und Polizei“ vor die Presse. Während etwa in Hamburg der Korpsgeist der Ordnungshüter den Staatsanwalt beschäftigt, die Berliner Polizisten durch Übergriffe von sich Reden machen, fordern die Bonner Beamten eine „an Freiheits- und Bürgerrechten orientierte, transparente und bürgernahe Polizei“. Das Forum will Sicherheitskräften auf Demo-Einsätzen künftig Nummern verpassen, um Prügelbullen besser identifizieren zu können; überparteilich und unabhängig setzt sich die Initiative unter anderem ein für eine „stärkere Sensibilisierung von PolizeianwärterInnen für soziale und psychologische Fragen“. Auch eine öffentliche Anlaufstelle für BürgerInnen und PolizistInnen soll her. Beide Seiten sprechen dabei von einem „für Angehörige beider Gruppen spannenden, aber auch schwierigen Experiment“.

So überwiegt, laut Udo Behrendes, Sprecher im Forum für die Polizisten, auf seiten seiner Kollegen die Skepsis: „Ich weiß, daß einige im Polizeipräsidium den Dolch schon im Gewande führen.“ Ganze elf Beamte ließen sich blicken, als er vorgestern in der Behörde über den Verein informieren wollte. Mani Stenner, Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative und Sprecher der beteiligten BürgerInnen, will die Initiative daran messen, ob seine Gruppe weiterhin polizeikritisch bleibt: „Jeder Anschein von Kungelei oder Verbrüderung wäre das politische Aus.“

Andererseits, so der Organisator zahlreicher Großdemonstrationen in Bonn, habe er schon in den siebziger Jahren eine Bonner Gruppe „Bürger beobachten die Polizei“ gründen wollen: „Und so gute Voraussetzungen hatten wir noch nie.“ Derweil stellen auch die Ordnungshüter im Forum klar, woher sie kommen: „Rollen- und Interessenkonflikte müssen von uns grundsätzlich zugunsten der Polizeiorganisation beziehungsweise des bekleideten Amtes gelöst werden.“ Dennoch ist den rund 20 GründerInnen des bundesweit einmaligen Vereins die Aufmerksamkeit der vorgesetzten Stellen sicher. Denn neben Friedensbewegten, Christdemokraten und Nicaragua-Aktivisten engagieren sich im Forum Beamte aus jeder polizeilichen Laufbahn, vom Mitglied der Einsatzhundertschaft bis zum Polizeioberrat. Einige ihrer Vorstellungen realisierten die grün Uniformierten bereits: Letzten Oktober stellten sie sich nach einem Prügeleinsatz gegen KurdInnen einer öffentlichen Podiumsdiskussion, im Januar dann gingen die ersten BürgerInnen mit auf Streife. „Die Mitfahrten im polizeilichen Streifendienst verliefen völlig unverkrampft und fanden bei den Hospitanten und den ,gastgebenden‘ Polizeibeamten ein sehr positives Echo“, so Behrendes in einem Brief an das nordrhein- westfälische Innenministerium. Dort steht Innenminister Herbert Schnoor dem Verein zwar „grundsätzlich positiv gegenüber“, wie ein Sprecher mitteilt, tatsächlich aber hält sich die Begeisterung auch seiner Behörde in Grenzen. „Unsere Polizei ist transparent genug“, so ein hoher Bedenkenträger in einer internen Runde, „wenn der Bürger Fragen hat, kann er sich doch ans Ministerium wenden.“ Bernd Neubacher

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