Eine Million für CO2-Dreckschleudern

■ Wirtschaftsressort fördert E-Mobil-Versuch / Umweltbehörde: „Sachlich nicht zu rechtfertigen“

Wenn ab Herbst dieses Jahres 64 kleine Elektrobrummis durch die Stadt summen, fühlt sich Bremen als Umwelt-High-Tech-Metropole. Für einen Großversuch der Post soll 15 Monate lang eine neuartige Batterie im Stadtverkehr getestet werden. Zu dem 24 Millionen Mark teuren Projekt schießt Bremen nach einem Beschluß der Wirtschaftsförderungsausschüsse vom 16.Februar eine Million zu – aus Töpfen des Wirtschaftssenators, der dem Projekt „einen erheblichen Werbeeffekt zur Profilierung Bremens als Technologiestandort“ zuschreibt. Die Umweltbehörde dagegen gibt für den Versuch keine müde Mark – eine solche Förderung sei unter umweltpolitischen Gesichtspunkten „sachlich und fachlich nicht zu rechtfertigen“, heißt es.

Die Post will sich mit dem Großversuch laut Eigenwerbung ihrer „umweltpolitischen Verantwortung stellen“: In den umgebauten Kleintransportern soll eine neuartige Zink-Luft-betriebene Batterie der israelischen Firma „Electric Fuel Limited“ getestet werden. Erste Gutachten des TÜV Bayern bescheinigen der neuentwickelten Batterie, kleiner, leichter, ungiftig und fünfmal so effektiv wie herkömmliche Batterien zu sein. Im Stadtverkehr haben die umgerüsteten Mercedes-Transporter einen Aktionsradius von 300 Kilometer pro „Tankfüllung“ nachgewiesen. Anders als andere Elektro-Autos wird die „Zink-Luft-Batterie“ allerdings nicht aufgeladen, sondern durch den Austausch der Elektroden in einer eigens dafür gebauten Anlage vollständig erneuert. Nun soll die Batterie zeigen, was sie unter den harten Alltagsbedingungen bringt: Ein Konsortium von Firmen hat mit der Post geplant, die E-Mobile für Post, Stadtwerke und Einzelhandels-Betriebe in Bremen fahren zu lassen.

Für Martha Pohl von der Wirtschaftsbehörde ist die Beteiligung an dem Versuch die Chance, „diese Technik nach vorn zu bringen“. Der Vorteil von Eletromobilen liege darin, daß sie an ihrem Einsatzort weder Lärm noch Dreck machten – die nämlich entstehen in den Kraftwerken, wo der Strom erzeugt wird. Der mittelbare Ausstoß von Kohlendioxid richte sich also danach, ob die jeweiligen Stromwerke mit Kohle (mehr CO2) oder Öl (weniger) befeuert würden. Außerdem, so Pohl, habe die Batterie unter idealen Bedingungen schon eine Reichweite von 600 Kilometern nachgewiesen, und auch die befürchteten extrem hohen Emissionswerte des Treibhausgases Kohlendioxid seien nicht nachgewiesen worden: „Die Energiebilanz liegt etwa im Bereich zwischen Diesel- und Benzinmotor, das heißt, auch die CO2-Emissionen bewegen sich in dieser Größenordnung.“

Das aber sieht Wilma von Zadelhoff von der Energieleitstelle des Umweltsenators ganz anders. Anhand der vom TÜV Bayern gemessenen Werte für das E-Mobil hat sie die CO2-Bilanz der angeblich sauberen Autos erstellt. Ihr Fazit: „Nach dem heutigen Stand des Wissens hält die Batterie nicht, was sie verspricht.“ Nehme man nämlich die tatsächlich gemessenen Daten (und nicht Idealwerte) und rechne man die Bremische Situation von Strom aus Kohlekraftwerken hinzu, komme man zur Beurteilung der Stromautos als Energiefresser und Dreckschleudern: „Für eine Kilowattstunde Energie in der Batterie müssen 2,83 Kilowattstunden Energie in Bremischen Kraftwerken verbraucht werden. Für eine Fahrstrecke von 1 Kilometer wird damit in Bremen mehr als ein Kilo CO2 produziert. Das aber bedeutet, daß ein vergleichbares durchschnittliches Dieselfahrzeug der Post, das den gleichen CO2-Ausstoß hätte, etwa 35 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchen müßte.“ Die Kleinlaster der Post verbrauchten aber höchstens 15 Liter Diesel im Stadtverkehr, meint von Zadelhoff.

All diese Argumente gegen das Experiment waren für das Wirtschaftsressort und die Wirtschaftsförderungsausschüsse nicht überzeugend. „Wir können das doch nicht ablehnen, nur weil die CO2-Bilanz nicht so großartig ist“, meint Martha Pohl. Man dürfe nicht immer nur auf das Kohlendioxid starren, sondern müsse die Entwicklung dieser Technologie auch „perspektivisch“ sehen. Diese Perspektiven allerdings sind düster: Die Post selbst rechnet mit 142 Pfennig Kosten pro Kilometer statt 42 Pfennig beim Diesel. Der Berliner E-Mobil-Experte Hermann Blümel hat für das Umweltbundesamt festgestellt, Elektro-Autos könnten in Krankenhäusern und Kurgebieten zum Einsatz kommen, wo Schadstofffreiheit benötigt werde. „Eine breite Einführung von Batteriefahrzeugen ist vor den erkennbaren umweltseitigen Nachteilen nicht vertretbar.“ Noch abfälliger äußert sich Karl-Ottto Schallaböck vom „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“: „Zur Lösung der aktuellen Aufgaben im Verkehrsbereich leisten Elektro-Pkw keine nennenswerten, wahrscheinlich noch nicht einmal überhaupt positive Beiträge.“

Bernhard Pötter