piwik no script img

Mühlenwarmes Biomehl

Die Bäckerei Märkisches Landbrot backt mit Getreide aus biologisch-dynamischem Anbau nach Rudolf Steiner / Große Nachfrage bei den Kunden  ■ Von Hella Kloss

In Teigbottichen, so groß wie eine Badewanne, gären 400 Kilogramm schwerer Sauerteig bis zu achtzehn Stunden, und warten darauf, von riesigen Knethaken durchgewalkt zu werden. Währenddessen sind die Tiroler Steinmühlen im Dauereinsatz, um Nachschub für den nächsten Teigansatz zu produzieren. „Wir verwenden nur mühlenwarmes Mehl zum Backen, denn durch Oxidation verliert es Aroma- und Vitalstoffe“, erklärt der Geschäftsführer vom „Märkischen Landbrot“ Joachim Weckmann. Rund drei Tonnen Getreide, das aus biologisch-dynamischem Anbau stammt, verarbeitet die Demeter- Vertragsbäckerei täglich.

Seit zwei Jahren wird in dem Betrieb statt Korn aus biologisch- organischer Bewirtschaftung Getreide verarbeitet, das nach den Regeln des ökologischen Landbaus von Rudolf Steiner angebaut wird. Geliefert wird es von fünf Demeterhöfen in Brandenburg und einem in Westfalen. Damit kann die Bäckerei bereits 75 Prozent ihrer Getreidelieferung aus der Region beziehen, lange Anfahrtswege verbunden mit Umweltbelastungen und Mehrkosten entfallen.

„Für die biologisch-organisch orientierte Landwirtschaft“, erklärt Joachim Weckmann, „spielen die ersten 30 bis 40 Zentimeter der Bodenschicht eine zentrale Rolle. Bodenlebewesen sollen im gesunden Verhältnis existieren, die Schichtenstruktur erhalten bleiben. Deshalb darf der Boden auch nicht gepflügt werden.“ Dagegen betrachte der Landwirt im biologisch-dynamischen Anbau den Boden wie ein Lebewesen, und behandele ihn mit Präparaten, die ähnlich wie homöopathische Mittel wirkten. Zur Düngung des Bodens verwenden die Ökobauern beispielsweise sogenannte Horn-Mist-Präparate. Um diese herzustellen, erläutert Weckmann, werde ein mit Mist gefülltes Kuhhorn vergraben, bis sich Humus gebildet habe. Dieser werde daraufhin in Fässer mit Wasser gebröselt und mindestens eine Stunde mit einem Reisigbesen gerührt. Das so entstandene Präparat könne dann auf dem Acker verteilt werden. „Bei bestimmten Arbeitsgängen, beispielsweise dem Aussortieren von Beikräutern, spielt die Gestirnkonstellation eine Rolle, und wird in einem Saatkalender berücksichtigt“, fügt er hinzu.

Eine solche Anbauweise ist sehr viel aufwendiger als die konventionelle Landwirtschaft, und verlangt wesentlich mehr menschlichen Einsatz. Dieser schlägt sich auch in den Getreidepreisen nieder. „27 Mark kostet der Doppelzentner Weizen oder Roggen im konventionellen Anbau, 60 bis 70 Mark muß man für Korn aus biologisch- organischem Anbau bezahlen, rund 90 Mark kostet das Demeter- Getreide“, rechnet Hans Selle vom „Märkischen Landbrot“ vor. Da trotz der höheren Preise immer mehr Verbraucher an gesunder Nahrung interessiert sind, belegen Umfragen, nach denen die Hälfte aller Berliner schon einmal Produkte aus ökologischem Landbau gekauft haben. Durch das vermehrte Interesse steigt auch die Nachfrage nach Getreide aus kontrolliertem biologischen Anbau. Nach einer Studie der Forschungsgesellschaft Agrarökonomie (FOGA) vom Anfang des Jahres werden bereits 2,3 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Brandenburg ökologisch bewirtschaftet. Etwa ein Drittel dieser Felder wird biologisch-dynamisch bearbeitet.

Neben der Gesundheit hat für den Verbraucher auch der Geschmack wieder mehr Bedeutung. Deswegen setzt ein Alternativbetrieb wie das „Märkische Landbrot“, wo seit 1981 ökologisch gebacken wird, auf alte, fast vergessene Getreidearten. Ursprüngliche Sorten, wie der Bergroggen aus österreich, schmecken sehr kräftig und intensiver. Doch vielfach sind Getreide wie Emmer oder Dinkel schon vom Markt verdrängt, und Saatgut ist nur noch in geringen Mengen aufzutreiben. Auf einem Experimentieracker versuchen die Neuköllner Bäcker deshalb Saatgut von seltenen Getreidearten wieder nachzuziehen. Von den 24 Brotsorten haben sich die Klassiker einen festen Kundenstamm erobert, auch wenn das Sonnenblumenkernbrot noch immer der Renner ist.

„Wir beliefern zwar auch Hertie und Karstadt, aber der Hauptanteil wird in Alternativläden umgesetzt“, berichtet Hans Selle. Der Osten Berlins ist unterversorgt. Sein Anteil an Berliner Naturkostläden beträgt laut FOGA lediglich 14,5 Prozent, während die Ostberliner mehr als ein Drittel der Berliner Bevölkerung ausmachen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen