Apokalypse, wie man's spricht

■ „Ich habe die Apokalype verpaßt“: Videoinstallation von Susanne Weirich, noch bis Sonntag zu sehen

„Close Up“, die Gruppenausstellung Berliner KünstlerInnen in der Städtischen Galerie (siehe taz vom 23.2.95) geht ihrem Ende entgegen. Ein Grund all denen, die die dort ausgestellte Video-Installation „Ich habe die Apokalypse verpaßt“ von Susanne Weirich noch nicht gesehen haben, sie nochmals zu empfehlen. Wer wollte sie verpassen?

Gleich im Eingangsbereich und getrennt von der übrigen Ausstellung sind die zehn Bildschirmgeräte im Halbkreis aufgestellt. Auf allen ist die Künstlerin in Großaufnahme zu sehen, dabei ist sie immer vor anderen Hintergründen postiert. Hintergründe, die Ausschnitte aus Arbeitszusammenhängen und -stätten von Personen zeigen. Von der Tonspur sind ihre Erzählungen von ihrem Berufsleben zu hören . Jeder Bildschirm hat seine spezielle Tonspur und sein spezielles Stichwort. Zum Thema Pause erzählt zum Beispiel der Buchhändler vom Unterschied zwischen Gedanken- und Bindestrich, oder die Bankangestellte von der Pausenregelung in ihrer Bank, davon, daß man in der Frühstückspause nur Zeit für einen Kaffee hat und, daß die Mittagspause manchmal wegen wichtiger Kundenbesuche ausfällt. Die Friseuse dagegen erzählt von der Muße bei der Herstellung von Zöpfchenfrisuren, die Ärztin vom Wartezimmer.

Jeder Bildschirm liefert mit seinem Thema, wie etwa ,Pause', zugleich dessen Anfangsbuchstabe, ,P', der in Blockform unter dem jeweiligen Bildschirm angebracht ist. Die zehn Bildschirme samt der dazugehörigen Blockbuchstaben sind räumlich dann so angeordnet, daß sich APOKALYPSE ergibt. Nur wenn man die Installation räumlich betrachtet, also nicht als einzelne Buchstaben sondern als Wort, erschließt sich auch die systematische Klammer der thematisch gebündelten Geschichten. Apokalypse, sprich A - wie Anfang, P - wie Punkt, O- wie Ordnung usw. bis P - wie Pause, S - wie Sorten, E - Ende. Die Reihenfolge der Themen wird so von ihrem Gesamtzusammenhang, dem Wort Apokalypse vorgegeben. Allerdings erfolgt der verknüpfende Zugriff nicht inhaltlich, sondern in formaler Weise, nämlich über die Anfangsbuchstaben.

Während man Susanne Weirich als Projektionsfolie den Titel der Installation „Ich habe die Apokalypse verpaßt“ stumm auf den Bildschirmen sprechen sieht, ertönt dann bei Buchstabe ,S' und Stichwort ,Sorte' etwa die Stimme der Bankangestellten, die von dem Run auf Fremdwährungen in der Vorferienszeit berichtet.

Alle Erfahrungen, die da erzählt werden, stellten einmal Probleme und Hindernisse dar, die bewältigt werden mußten, die aber auch vergangen sind. Weirich hat sie also strenggenommen verpaßt. ,Apokalypse' bedeutet auch ,Enthüllung', und in diesem Sinne kann die Apokalypse dann von Neuem erscheinen - noch bis Sonntag in der Städtischen Galerie.

Verena Mund