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Die Ebene der Mühen

SC Freiburg – VfL Bochum 1:2 / Der Versuch, die Fußballwelt endlich von den Füßen auf den Kopf zu stellen, wurde erneut gebremst  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Zwischen Freiburg und Bochum liegen Welten. Nicht, was das Niveau des Aufeinandertreffens der Kick-Teams von Sport Club und VfL betrifft. Da wurde im Gegenteil durchaus vergleichbarer mittelunterer Liga-Standard geboten. Nein, die Grenzlinie verläuft jenseits des schnöden Alltags. In der ideologischen Tiefe des Raumes: im Hinterland der fußball-weltanschaulichen Dinge.

Sagen wir vielleicht so: In Bochum wird einem nicht nur der Ball in die Wiege gelegt (oder nicht), sondern (wenn, dann) auch das drohende Wissen, daß der Kick ist wie das gemeine Leben – ein langer Marsch durch die Mühen der Ebene. Und nicht einmal eine Unabsteigbarkeits-Garantie gibt dort unten mittlerweile noch letzte Hoffnung auf einen Rest von Gerechtigkeit.

In Freiburg dagegen konnte vor drei Jahren erstens noch kein Unter-18jähriger drei Namen von SC- Spielern fehlerfrei buchstabieren. Und zweitens wird der Kick von Finkes Himmelsstürmern spätestens seit dem wundersamen Nicht-Abstieg in der vergangenen Spielzeit als beständiges Versprechen darauf begriffen, daß das Wetter noch schöner sein könnte, als es sowieso schon ist. Mithin: als Vorschein des Utopischen.

Was aber jetzt? Wo der vehemente Anlauf der Schwarzwälder, die Fußballwelt von den Beinen auf den Kopf zu stellen, mit zwei veritablen Klatschen gebremst wurde? Wo der mit „kleinem Geld“ (Finke) und großem Herzen angesetzte Sturm auf die UEFA- Cup-Bastion der Mächtigen und Reichen nach dem Bremen-Debakel den zweiten derben Dämpfer in Folge erhielt: eine Heimniederlage gegen den abstiegskampfgestreßten VfL Bochum?

Paradigmenwechsel? Die Wiederankunft der Schwarzwälder in der Ebene der Mühen? Aufwind in abstiegsängstlichen Bochumer Herzen? Mitnichten. Eher zum Amüsement des Fachpublikums wollte Bochums Trainer Toppmöller partout „eine gute Freiburger Mannschaft“ herbeireden, um seine Maßnahme, den Libero vor die Abwehr zu rücken („damit konnten die Freiburger im Mittelfeld keine Überzahl herstellen“), gebührend als taktischen Voodoo- Zauber gewürdigt zu wissen.

Geheimnisvoll – „soll aber keine Entschuldigung für das schlechte Spiel in der ersten Hälfte sein“ – klang auch Volker Finkes Erklärung für die unerwartete Niederlage: Der „Re-Infekt“ hätte seiner Mannschaft vor allem in der zweiten Hälfte schwer zu schaffen gemacht. Kapitän Spies, erfahren in den Wortschöpfungen seines Übungsleiters, konnte später Aufklärung geben: Einige im Team würden schon von der zweiten Grippe im laufenden Jahr gebeutelt, was das vielbeschworene Freiburger Laufspiel im Mittelfeld nicht unerheblich beeinträchtigt habe. Sein Trainer hatte derweil schon das Motto zur Bewältigung der Bochum-Niederlage ausgegeben: Nachdem der Post-Bremen- Ansatz („Wir müssen jetzt erst mal abtrauern“) halbwegs fehlgeschlagen war, empfahl Finke, „jetzt den Humor nicht zu verlieren: Freistoß Freiburg – Tor Bochum, das gibt's schließlich nicht alle Tage im Fußball.“

Angespielt hatte der Trainer da auf jene spielentscheidende Szene, als der Freiburger Vor-Abwehr- Libero Maximilian Heidenreich den Ball in die Beine von Darius Wosz gespielt und der den weit vor dem Tor postierten Jörg Schmadtke mit einem sehenswerten 40-Meter-Schlenzer überwunden hatte. Das ohne den grippekranken (Erst-Infekt) Cardoso führungslose Freiburg hatte dem nur noch den späten Anschlußtreffer des eingewechselten Wassmer entgegenzusetzen. „Was fragt ihr denn noch“, grinste Uwe Spies und zuckte mit den Schultern, „ihr habt doch selber gesehen, was für einen Scheiß wir gespielt haben.“

Worauf sich auch ein grippegeschwächter Bochumer Reporter (Re-Infekt) mit dem erst langsam greifenden Bewußtsein, tatsächlich zwei Punkte aus Freiburg in die Heimat mitzunehmen, aufmachen konnte in eine bessere Zukunft, die Wosz' Ball im langen Flug für einen Augenblick deutlich hatte aufscheinen lassen.

An der Entstehung dieses Artikels wirkte in beratender Funktion der Experte für Bochumer Kantersiege, Christoph Biermann, mit

VfL Bochum: Wessels - Waldoch - Eberl, Reekers - Schwanke, Peschel (83. Heinemann), Herrmann, Frontzeck, Wosz - Michalke (77. Wynalda), Wegmann

Zuschauer: 17.500; Tore: 0:1 Wegmann (17./Handelfmeter), 0:2 Wosz (63.), 1:2 Wassmer (86.)

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