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„Der ruiniert die Crédit Lyonnais“

Konsortium soll Altlasten der maroden französischen Großbank übernehmen / Lange hatte sich der Staat nicht für die Machenschaften bei der staatlichen Bank interessiert  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Zum zweiten Mal binnen eines Jahres schwingt sich der französische Staat zum Retter der „Crédit Lyonnais“ auf. Er will ein Konsortium gründen, das die zahlreichen negativen Posten der maroden Großbank — Immobiliengeschäfte, Industriebeteiligungen und bestimmte Tochterfirmen, insgesamt rund 139 Milliarden Franc (40,8 Milliarden DM) — übernimmt und binnen 20 Jahren verhökert. Die Garantien für die absehbaren gigantischen Verluste bei dem Geschäft trägt der Staat. Die gesundgestoßene Crédit Lyonnais hingegen soll sich in Ruhe auf ihre Privatisierung in rund fünf Jahren vorbereiten.

Diesen Sanierungsplan stellten Wirtschaftsminister Edmond Alphandéry, der französische Zentralbankchef Jean-Claude Trichet und die Crédit Lyonnais am Freitag abend in Paris vor. Bevor der Plan in Kraft treten kann, muß der zuständige Kommissar der Europäischen Union, Karel van Miert, seine Meinung abgeben, was Ende des Monats erwartet wird. Van Miert hatte eine Untersuchung über Wettbewerbsverzerrungen durch die wiederholten staatlichen Rettungsaktionen für die Bank eingeleitet.

Die 132 Jahre alte Crédit Lyonnais ist Europas größte — und zugleich gegenwärtig verlustreichste — Geschäftsbank. Schon im Jahr 1993 erwirtschaftete sie 6,9 Milliarden Franc (zwei Milliarden DM) Miese. Das hatte lediglich einen Personalwechsel an der Spitze und die Ankündigung, im nächsten Jahr werde alles besser, zur Konsequenz. Doch 1994 kam es mit minus 12 Milliarden Franc (3,5 Milliarden DM) noch dicker. Das Kreditinstitut überlebte nur dank einer staatlichen Finanzspritze von weit über 20 Milliarden Franc und zusätzlichen staatlichen Garantien. Insgesamt bezifferte der Wirtschaftsminister die Verluste auf 50 Milliarden Franc. In den 80er Jahren, als sich die Milliardenverluste anbahnten, mischte sich der Staat nicht im geringsten in die Geschäfte seiner eigenen Bank ein. Seelenruhig konnte Jean-Yves Haberer, langjähriger Chef des Hauses und einer der geschätztesten sozialistischen Technokraten, seine Risikoinvestitionen tätigen. Unter anderem steckte er Milliarden in die Metro-Goldwyn-Mayer- Filmstudios, gewährte dem inzwischen pleite gegangenen französischen Geschäftsmann und Politiker Bernard Tapie Kredite in Milliardenhöhe und investierte gigantische Summen in Immobiliengeschäfte.

Bei gesellschaftlichen Anlässen jener Jahre flüsterten sich schon damals seine Parteifreunde zu, was inzwischen öffentlich bekanntgeworden ist: Der ruiniert die Crédit Lyonnais. Mehrfach auch erkundigte sich der konservative Oppositionspolitiker François d'Aubert bei der sozialistischen Regierung nach dem Hintergrund der rasanten Expansion der Bank. Doch die antwortete nicht einmal auf die Anfragen. Zu einer Untersuchung bequemte sich das zuständige Aufsichtsgremium der Zentralbank erst 1991, als es bereits viel zu spät war.

Haberer, der Banker der Sozialisten, wurde zwar 1993 von der konservativen Regierung entlassen und gilt seither als „der Verantwortliche“ für die Misere der Crédit Lyonnais — doch weitere Folgen hatte das nicht. Nach seiner Entlassung fand er vorübergehend sogar einen Posten an der Spitze einer anderen Bank. Strafrechtliche Konsequenzen für die Bank mit 4,5 Millionen Privatkunden und weltweit 70.000 Beschäftigten bahnen sich erst jetzt an. Seit einigen Tagen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mehrere Tochterfirmen der Crédit Lyonnais, und mittlerweile redet die Regierung auch von „Unterschlagung“.

Der jetzige Crédit-Lyonnais- Chef Jean Peyrelevade erklärte das jahrelange Schweigen gegenüber den Machenschaften seines Vorgängers in einem Interview als ein typisches Problem der französischen Elite, die „aufgrund einer extrem ähnlichen Ausbildung eine fast geschlossene Welt bildet. Mich erinnert das an die Offiziersschulen in Deutschland und Österreich Ende des 19. Jahrhunderts. In unseren Eliteschulen und hohen Behörden herrscht ein politischer Geist, den ich als republikanische Form des Monarchismus bezeichnen würde“.

Eine direkte staatliche Finanzspritze an die marode Bank ist diesmal nicht geplant. Die Steuerzahler koste die Rettungsaktion nichts, versicherte Wirtschaftsminister Alphandéry am Freitag sogar. Doch für den Ausgleich der Verluste beim Verkauf der Altlasten der Crédit Lyonnais ist wieder der Staat zuständig. Und wieviel das kostet, stellt sich erst in einigen Jahren heraus.

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