piwik no script img

Das Nichts einer gestalteten Leere

■ Mit einem Denkmal des israelischen Künstlers Micha Ullman wird am Berliner Bebelplatz der Bücherverbrennung gedacht

Der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 wird oft nur als Symbol für den Holocaust gedacht, der später folgte. Seit Montag ist nun der Bücherverbrennung in Berlin am Bebelplatz ein eigenes Denkmal gewidmet – dort wo vor 62 Jahren etwa 20.000 Bücher verbrannt worden sind. Und auch an dieser Stelle werden wieder die prophetischen Wörter Heinrich Heines von 1820 in Erinnerung gerufen: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrannt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“

Der Text ist zwar als Inschrifttafel ein Teil des Monuments, aber nur am Rande. Das Denkmal, entworfen von dem israelischen Künstler Micha Ullman, konzentriert sich auf die Bücherverbrennung selbst. Ullman, 1939 in Tel Aviv geboren, ist seit 1991 Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Nach der Einweihung bekam der Bildhauer, auch für diese Arbeit, den mit 10.000 Mark dotierten Käthe-Kollwitz-Preis 1995 der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg.

„Bibliothek“ hat Ullman seinen Entwurf für das Denkmal am Bebelplatz genannt, ein Titel, der darauf schließen ließe, daß die Verbrennung, „der Kulturmord“, wie Berlins Kultursenator Ulrich Roloff-Momin es während der Übergabe nannte, überwunden ist. Die Bücher Thomas Manns, Kurt Tucholskys, Erich Kästners und all der anderen verbotenen Schriftsteller sind überall in Berlin zu leihen und zu lesen. Aber die Bibliothek Ullmans ist leer: Hartes, aggressiv in den Augen blendendes Kunstlicht strahlt hier Tag und Nacht auf die Regale aus weißverputztem Beton. Mit einfachen, klaren Mitteln hat Ullman ein Symbol gefunden, das sich ausschließlich auf diesen Kulturmord bezieht. Wie schwierig das gewesen sein muß, kann man nur ahnen, wenn man andere Denkmäler noch einmal mit betrachtet.

Der deutsche Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg beschrieb eine Reihe Bäume einmal mit „ein Baum, kein Baum, ein Baum, kein Baum“ und so weiter. Was hätte er geschrieben, wenn die Bäume abgeholzt worden wären? Dann bleibt nur ein Nichts, eine Leere übrig. Genau solch eine Leere ist es, die in Denkmälern oft gestaltet werden muß. Künstler sollen vor allem zeigen, was fehlt – Menschen oder, wie in diesem Fall, Bücher. Oft wählt man dazu dann ein schon bekanntes Zeichen, zum Beispiel die Namen der Opfer, so wie bei einem der preisgekrönten Entwürfe für das zentrale Holocaust-Denkmal am Leipziger Platz in Berlin. Dementsprechend hätte für das Denkmal am Bebelplatz eine Liste mit den Namen von Büchern oder Autoren der Ausgangspunkt sein können. Aber ein so bekanntes Mittel hätte wahrscheinlich keine Erschütterung mehr hervorbringen können. Und wenn ein Denkmal nicht erschüttert, kann es auch nicht mahnen.

Ullmans Erschütterung ist fein, ästhetisch und präzise: Auf den Regalen seiner Bibliothek hätten 20.000 Bücher Platz, wären sie nicht am 10. Mai 1933 verbrannt worden. Auf diese Weise hat er eine Leere in den Mittelpunkt seines Denkmals gerückt; eine Leere, die schmerzt. Ullmans Bibliothek ist nicht zugänglich, sie kann nur von oben durch ein viereckiges Loch im Boden betrachtet werden – so, als ob man in ein leeres Grab guckt. Aber die gläserne Platte, die das Loch bedeckt, spiegelt: den Himmel, die Prachtbauten des Bebelplatzes und die Betrachter. Man kann die unterirdische Bibliothek eigentlich nur sehen, wenn man das Glasfenster betritt.

In der Alten Bibliothek ist eine bescheidene Ausstellung zur Dokumentation der Bücherverbrennung und zum Entwurf Ullmans eingerichtet. „Bibliothek“ paßt gut zu seinen anderen Arbeiten, zum Beispiel zu dem verrosteten Häuschen „Niemand“ etwa, das seit einem Jahr auf dem Parkplatz des Martin-Gropius-Baus steht. Bianca Stigter

Das Denkmal „Bibliothek“ von Micha Ullman befindet sich auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte. Ausstellung bis 5. April im Foyer der Kommode, Alte Bibliothek, Bebelplatz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen