: Rot-grüner Streit um die Verteilung der Mängel
■ Die Koalitionsverhandlungen in Hessen stocken / Grüne wollen sparen
Frankfurt/Main (taz) – Der Pleitegeier kreist über Schloß „Platte“ bei Wiesbaden. Doch nicht nur deshalb kommen die Verhandlungsdelegationen von SPD und Bündnisgrünen in Hessen beim Entwurf eines neuen Koalitionsvertrages nicht voran. Es hakt fast überall: Keine Einigung beim Verkehr, keine Einigung selbst in der Umweltpolitik. Und divergierende Auffassungen auch bei der Sozialpolitik. Weil sich die Bündnisgrünen als Sparkommisare gerieren, fühlt sich die SPD unter Druck gesetzt. Vor allem Kultusminister Holzapfel wehrt sich mit Händen und Füßen gegen Stellenstreichungen auch bei den LehrerInnen. Und Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) will verhindern, daß Gelder für die Arbeitsmarktförderung zusammengestrichen werden.
Daß der „Pleitegeier“ nicht hinwegzudiskutieren ist, wissen allerdings auch die Sozialdemokraten. Deren Finanzminister Welteke hatte am Dienstag im Kabinett eine zwanzigprozentige Haushaltssperre durchgesetzt. „Sinkende Steuereinnahmen“, so Welteke, hätten diese Maßnahme zwingend notwendig gemacht. Die Verteilungskämpfe zwischen SPD und Bündnisgrünen werden also noch härter werden. Denn Spielräume für politische Initiativen bleiben den Verhandlungsdelegationen kaum noch.
Mit dem „Deibel“ müßte es deshalb schon zugehen, wenn man heute abend das Schloß tatsächlich mit einen Koalitionsvertrag verlassen sollte, sagte Sozialministerin Iris Blaul. Insider gehen davon aus, daß bis Sonnabend weiterverhandelt werden müsse.
Noch völlig offen ist, wer was wird im neuen Kabinett von Hans Eichel macht. Finanzminister Welteke geht zur Landeszentralbank. Und um sein Ministeramt bewerben sich zwei Kandidaten: Landtagspräsident Starzacher als Favorit der Rechten in der SPD. Und Landrat Veit als Kandiat der Linken. Und weil auch der amtierende „Superminister“ Jörg Jordan in die freie Wirtschaft wechselt, balgen sich SPD und Bündnisgrüne unter dem Tisch schon um die Hinterlassenschaft. Sollte es bei zwei Ministerien für die Bündnisgrünen bleiben, wollen sie das Ministerium von Jordan „komplett schlucken“ und in ihr Umweltministerium integrieren: Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz. Der Teilbereich „Wohnen“ ist für die SPD allerdings sozialdemokratisches Terrain und keine Verhandlungsmasse.
Noch ist auch ein drittes Ministerium für die Bündnisgrünen im Gespräch. Falls es Eichel nicht schaffen sollte, das Kabinett wie angekündigt zu verkleinern, sei ein drittes Ministerium Pflicht. Das jedenfalls forderten die Grünen aus Kassel gestern in einem Memorandum. kpk
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