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Laut zetern und klein beigeben

■ Stromversorger wettern gegen das angeblich verfassungswidrige Einspeisungsgesetz / Doch ihr eigener Gutachter rät von der angedrohten Klage ab

Aachen (taz) – Seit langem behauptet die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), das neue Stromeinspeisungsgesetz sei verfassungswidrig. Der Geschäftsführer des Verbandes, Joachim Grawe, bezog sich dabei auch auf das Gutachten eines Juristen von der Universität Mannheim, das er allerdings nicht veröffentlichen wollte. Kein Wunder: Der Gutachter, der Jurist Hans-Wolfgang Arndt, empfiehlt den Stromversorgern in dem Auftragswerk: Finger weg von einer Verfassungsklage.

Das Gesetz, das die Stromversorger so ärgert, wurde am 7. Dezember 1990 vom Bundestag beschlossen. Und es ist eigentlich nur ein kleiner Kratzer an der sonst ungebrochenen Macht der Energieversorgungsunternehmen (EVU). Es garantiert den Betreibern von Windanlagen und Photovoltaikanlagen, daß ihnen das übergeordnete EVU den eingespeisten Strom abnimmt und sichert dafür den Mindestpreis von etwa 17 Pfennig pro Kilowattstunde zu.

Doch selbst das ist den Stromkonzernen zuviel, weshalb VDEW-Geschäftsführer Grawe seit Ende letzten Jahres keine Gelegenheit ungenutzt läßt, die Verfassungswidrigkeit eben jenes Gesetzes zu beschwören. Immer wieder fordert er, „das Gesetz als verfassungswidrige Norm aufzuheben“. Eine Verfassungsklage des Verbandes wäre in dieser Lage wohl nur konsequent.

Doch dazu wird es nicht kommen. Denn der eigene Gutachter empfiehlt den Stromkonzernen: „Nicht handeln, sondern abwarten.“ Und zusammenfassend schreibt Arndt: „Um keine ,schlafenden Hunde zu wecken‘, könnte der Stromwirtschaft daher empfohlen werden, die Kröte des Stromeinspeisungsgesetzes zu schlucken.“ Im Klartext: Stillhalten, sonst kommen noch mehr Menschen auf die Idee, regenerative Energien zu nutzen.

Doch selbst wenn eine Verfassungsklage der Energieversorger deshalb unwahrscheinlich ist: Manchmal reicht auch die Drohung mit einer Klage, um Interessenten abzuschrecken. So versuchen neuerdings einzelne Energieversorger, mit dem Hinweis auf die angebliche Verfassungswidrigkeit des Gesetzes die Banken abzuschrecken. Die Westmecklenburgische Energieversorgung zum Beispiel schrieb an die Commerzbank, die rechtliche Grundlage der Einspeisevergütung sei verfassungswidrig. Und deshalb werde man von den Betreibern möglicherweise Geld zurückfordern. Das allerdings macht die Betreiber einer Windkraftanlage zu unsicheren Kreditnehmern, weshalb die Commerzbank jetzt natürlich überlegt, ob die Kredite für die Anlagen ausreichend abgesichert sind.

Uwe Carstensen, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, sieht darin eine unverschämte Taktik der Energieversorger: „Dies ist geschäftsschädigend für die Hersteller von Windkraftanlagen.“ Anne Kreutzmann

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