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Der private Kanzlerfunk

■ Das Bundespresseamt puscht weiter seine politischen Werbespots ins Radio

Als mit dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens 1987 private Radiostationen zugelassen wurden, geschah das auch, wie immer betont wurde, um die Meinungsvielfalt in den Medien zu erhöhen.

Ein hehres Ziel. Doch nachdem sich einige der schon früher zugelassenen privaten TV-Sender dem Kanzler unverhohlen als Sprachrohr andienen, wundert man sich kaum noch, daß die Bundesregierung es völlig normal findet, in den Radios die Berichterstattung über die eigene Politik gleich selbst zu übernehmen.

Vor einem Jahr verursachte die Angelegenheit noch eine ungeheure Aufregung: Wahlpropaganda mit Steuergeldern, das Bundespresseamt läßt von einigen Agenturen politische Radiobeiträge und Kommentare produzieren und diese sendefertig und kostenlos an Radiosender verteilen. Die SPD reichte Klage beim Kölner Verwaltungsgericht ein, schließlich war Wahlkampf, und die Opposition fand sich in einigen dieser Beiträge als regierungsunfähig verunglimpft.

Doch über politische Skandale wächst das Gras sehr schnell. Ein Jahr danach: die Wahl ist vorbei, die Klage der SPD noch nicht entschieden. Über die seltsamen Formen der Informationspolitik des Bundespresseamtes wird nicht mehr geredet – aber die täglichen Radioberichte, gesponsert vom Bundespresseamt, gibt es immer noch. Wer zum Beispiel die Bonner Telefonnummer 21 28 46 der Agentur Duomedia Consulting anwählt, kann das Neueste von der Bundesregierung über die Bundesregierung abhören, aufnehmen und gleich über den Sender schicken. Da ging es in der vorletzten Woche zum Beispiel um die Energiekonsensgespräche und eine von der Regierung in Auftrag gegebene Umweltstudie, letzte Woche waren dann die Renten dran.

Etwas hektisch, etwas unkonzentriert, ein bißchen unprofessionell spricht der „Korrespondent“ seine Berichte ins Mikrofon – ganz so, wie man es von den unterbezahlten und schlecht ausgebildeten Kollegen vieler kleiner Privatradios gewöhnt ist.

960 Beiträge pro Jahr hat das Bundespresseamt 1994 produzieren lassen, genauso viele wie 1993, als der Etatposten rund 1,5 Millionen Mark betrug. In jenem Jahr, hat jemand hochgerechnet, sind die Beiträge im bundesdeutschen Äther rund 18.000mal gesendet worden. Und auch heute werden sie nach Angaben von Duomedia Consulting täglich von bis zu zehn Kunden abgerufen.

Im Bundespresseamt reagiert man auf kritische Fragen über diese Form der Öffentlichkeitsarbeit verständnislos. Was, meint zum Beispiel der zuständige Referatsleiter Heinrichmartin Kreye, solle daran verwerflich sein, Informationspolitik der Bundesregierung auch auf diesem Wege zu betreiben? Eines hat sich schließlich seit dem vergangenen Jahr geändert: Wer heute die Beiträge bei den Agenturen abruft, wird im Vorspann unmißverständlich darauf hingewiesen, daß diese Berichterstattung in Zusammenarbeit mit dem Bundespresseamt entstanden ist.

Das Bundespresseamt dürfte damit rechtlich aus dem Schneider sein. Dem Radioredakteur ist klar, daß er Werbung der Bundesregierung bezieht. Ob er das auch seinen Hörern mitteilt, bleibt ihm überlassen. Eva-Maria Thoms

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