: Zwei machen den Unterschied
■ Nach einem inspirationslosen, aber routinierten 2:0 in Georgien wähnt Berti Vogts die deutschen Fußballer "auf dem Weg zu einer erstklassigen Mannschaft"
Berlin (taz) – Obacht! Größte Vorsicht ist geboten, um inmitten einer veritablen Blabla-Großoffensive nicht den Überblick zu verlieren. 2:0 in Georgien gewonnen, bitte sehr, und damit erst gar keiner mehr auf die Idee käme, körperteilrümpfend zu fragen, wer Georgien sei, hat sich der Bundestrainer Berti Vogts für zuvor getane, womöglich despektierliche Äußerungen seines kaiserlichen Amtsvorgängers in Tbilissi entschuldigt, die Unterlegenen gebührend gelobt und dann schleunigst sich und den Seinen attestiert, man sei „auf einem sehr guten Weg, wieder eine erstklassige Mannschaft zu werden“.
Sehr guter Weg? Erstklassige Mannschaft? Sicher doch: „Bis auf die letzte Minute“, so hat es von rechts hinten Stefan Reuter empfunden, „haben wir Georgien beherrscht.“ Und von vorne hat diese These bejahend der Neu-Stürmer Heiko Herrlich vermerkt, der Sieg hätte „auch höher ausfallen können“.
Er, Herrlich nämlich, habe „schon aus geringeren Chancen Tore gemacht“. Und, nie in diesem Zusammenhang zu unterschlagen: Die Georgier haben die allenthalben gefürchteten Waliser an selber Stelle zuvor 5:0 dahergekegelt! Dazu ist zu sagen, daß gerade Reuter seine Sache eben nicht beherrscht hatte, wodurch Schota Arweladse allein auf Köpke hatte zukurven dürfen, auch an dem elegant vorbei, nur um dann das leere Tor nicht zu treffen (26). Später trug sich ähnliches zu. Womit die einen, die Georgier, die, „technisch beschlagen“ (Klinsmann), mit flüssigem Kurzpaßspiel durch die Räume huschten, ihre Chancen aber nicht nutzten, während die anderen Klinsmann hatten.
Hätte sich absurd angehört, noch vor einiger Zeit. „Nur ihn möchte ich hervorheben“, hat Vogts wieder einmal dankbar sagen dürfen, „nicht nur wegen seiner beiden Tore ...“ Aber schon hauptsächlich deswegen. Länderspieltore 29 und 30, damit hat Klinsmann nun gar mit dem Augsburger Ernst Lehner gleichgezogen und vor sich in der Torschützenliste nur noch die ganz großen Toremacher des Landes: Müller, Völler, Seeler, Rummenigge, Walter, Fischer. Was eigentlich nur einen Schluß zuläßt: den, daß es sich bei Jürgen Klinsmann (30) auch um einen ganz Großen handeln muß.
Tatsächlich ist der 30jährige für Vogts nicht nur ein Fetisch gegen die Rückkehr des Vampirs Matthäus, er gehört zu den wenigen, die in einem Team aus rennenden Handwerkern und handwerkerlnden Rennern den sogenannten „Unterschied“ ausmachen können und es in Georgien taten. Nichts weniger hat man den Eindruck, als daß sich da ein zukunftsträchtiger Haufen „findet“, wie es der gewohnt fehlerfreie und gewohnt positiv-unverbindliche Torhüter Köpke gesehen haben wollte. Eher als spiele, eine zufällige, doch leidlich routinierte Ansammlung von Bundesligaprofis ihren Stiefel herunter und warte, bis einem der Ihren etwas Spezielleres einfiele.
Genau dafür hat der nicht völlig verblendete Bundestrainer den Bremer Basler anstelle des Karlsruher Häßler auf die rechte Seite gestellt. Und siehe da: Es wirkte. Basler (26), das war bei jeder Ballannahme zu sehen, kann den entscheidenden Ball spielen. Und demonstriert beim Eckball zu Klinsmanns 1:0. Oder gibt es sonst noch irgendwo einen, der solche Ecken schlägt? Der derzeit Einzigartige, das ist auch Vogts sofort aufgefallen, sei „vor allem bei Standards und Flanken ein Gewinn“.
Längst nicht nur dort: Der Mann war in seinem Aufgabenbereich fleißig dabei, jene „Lücke“ zu schließen, die der Kapitän Klinsmann zwischen Mittelfeld und sich ausgemacht hatte. Dort nämlich, es ist unmöglich zu verschweigen, ist das Reich von Andreas Möller. Doch jenes war mal wieder nicht von dieser Welt. Möller, in Gedanken die von der Steuer bedrohten Millionen umschlungen, wankte apathisch übers Feld und wachte erst früh am nächsten Morgen in der Hotelbar auf, als er ersteres für zweiteres als Begründung heranzog. Möller, sagt Möller, habe „eigentlich absagen wollen“, tat es nicht, worauf ihm Vogts für seine „mentale Stärke“ dankte. Was sonst? Der weiß inzwischen auch, daß er den Möller nicht ständig und aufs neue zur Disposition stellen kann. Andererseits besorgt der das permanent selbst. Auf alle Fälle – und Vorsicht, denn das sagt nun wieder Köpke – entwickle sich ein gutes Klima.
Tatsächlich: Der Kumpel Reuter hat den Kumpel Möller noch trösten wollen, gestern früh, in der „Piano-Bar“ und ihn in den Schoß des Teams ziehen, wo man mit ihm „noch einen trinke wolle“, worauf Möller ihn gebeten hat, ihn gefälligst, wie schon auf dem Spielfeld, „in Ruhe“ zu lassen. Prima, da wächst also etwas zusammen. Aber, wie sagen wir immer: Vier Spiele, vier Siege, zwölf Punkte, mehr gab's auch früher nicht. Eher weniger. Und außerdem hat Sammer nicht mitgespielt. pu
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