: „Sie wollen die Kurden schlecht machen“
■ Neuer Anschlag auf türkischen Sportverein Vatan in Gröpelingen / Beschuldigungen
„Wir haben keine Angst als Organisation, aber die Menschen haben hier Angst“, stellt der Vorsitzende des türkischen Zentralverbandes, Aydin Findikci, klar. Er telefoniert gestern vormittag mit der Presse aus dem Raum, in dem es vor wenigen Stunden zuvor gebrannt hatte. „Jeder, der Gewalt anwendet, muß abgeschoben werden.“ Seine Entschlossenheit und die Verärgerung sind ihm anzusehen. „Über diesem Raum wohnen noch 10 Familien, auch das Leben dieser Leute ist den Terroristen egal.“
Kurz vor 6 Uhr war auf den türkischen Sportverein Vatan Sport e.V. in der Gröpelinger Lindenhofstraße ein Brandanschlag verübt worden. Zwei Scheiben wurden eingeschlagen und Brandsätze ins Vereinshaus geschmissen. Die Täter haben offenbar einen Moment abgepaßt, in dem die Polzei, die die ganze Nacht über in der Lindenhofstraße Streife fuhr, um die Ecke war.
Die Polizei berichtete, daß Zeugen drei Jugendliche zwischen 20 und 25 Jahren weglaufen sahen. Es habe sich dabei um südländisch aussehende Personen gehandelt. Mehr Hinweise auf Tatverdächtige hatte die Polizei nicht.
Findikci ist sich dagegen sicher, daß die PKK hinter diesem Anschlag steckt. Dabei stützt er sich auf Vermutungen nach anderen Anschlägen auf türkische Einrichtungen.
Hasam D., türkischer Einwohner in Gröpelingen, sorgt sich vor allem um die Moschee, die sich schräg gegenüber des Sportvereinshauses befindet. „Hier kann jeder reinkommen, die Leute haben sogar Angst beim Beten.“
Auf das Vatan-Vereinshaus wurde bereits am 28. November 1994 ein Brandanschlag verübt. Vier Monate hat es gedauert, bis die Renovierungsarbeiten abgeschlossen wurden. Vermutlich wußten die Täter, daß am heutigen Samstag die Neueröffnung gefeiert werden sollte – und haben dies durch den neuerlichen Brandsatz zu verhindern versucht. Da die Polizei sehr schnell mit ihren Handfeuerlöschern zur Stelle war, entstand aber nur ein geringer Sachschaden.
Hasam D.: „Ich frage mich, wie das weitergehen soll. Ich habe die Polizisten gefragt, was wir machen sollen. Sollen wir etwa selber Wachen aufstellen?“ Auch Hasam D. geht davon aus, daß die PKK hinter dem Anschlag steckt. „Warum greifen sie immer die kleinen Leute an? Sie sollen doch die türkische Regierung angreifen, wenn sie was gegen sie haben.“
Gestern zeigten die Journalisten Interesse, doch von den deutschen Mendien hält Hasam D. sonst wenig. Kürzlich habe das türkische Fernsehen berichtet, daß die PKK auf die eigene Bevölkerung geschossen habe. Ein englischer Abgeordneter hätte das sogar bezeugt, doch das ZDF habe kurze Zeit später gemeldet, daß die Regierungssoldaten die Leute umgebracht hätten. „Nein, die deutschen Medien berichten nicht richtig über das, was in der Türkei los ist“, beklagt sich der Gröpelinger Türke.
Der Kurde Ahmet T. fühlt sich genauso von den Medien mißverstanden „Die deutschen Medien können nicht wissen, wie es wirklich in Kurdistan zugeht, weil sie nur die Version der Regierung kennen. Ins Kampfgebiet kommt niemand rein.“ Er vermutet, daß türkische Stellen hinter dem neuerlichen Anschlag auf das Vatan-Vereinshaus stecken. „Sie wollen nur die Kurden schlechtmachen“.
Sowohl auf türkischer wie auch auf kurdischer Seite wird beteuert, daß es keine Feindschaft gibt zwischen den hier lebenden Türken und Kurden, es handele sich vielmehr um eine politische Auseinandersetzung. Die Polizei fürchtet eine Ekalation der Gewalt. Hasam D. will sich irgendwann, sollten die Anschläge nicht aufhöhren, selber helfen. Für ihn ist es keine Frage, gegen wen er sich denn wehren will: „Gegen wen wohl?“
Luigi la Grotta
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