■ Mit dem Lehrstellenangebot auf Du und Du
: Bremer Unlust zur Ausbildung im Betrieb

Das Lehrstellenangebot in Bremen befindet sich im freien Fall. Das jedenfalls liest das Arbeitsamt aus ihrer gestern veröffentlichten Statistik zum Ausbildungsstellenmarkt. Seit Oktober 1994 haben Bremer Unternehmen insgesamt 4.253 Lehrstellen für die kommende Saison ab August gemeldet. Das sind rund 800 weniger als ein Jahr zuvor. Gleichzeitig verlassen immer mehr junge Frauen und Männer die Schulen, die Baby-Boomer werden flügge und brauchen eine Lehrstelle. 3.519 BewerberInnen haben sich für die Stellen beim Arbeitsamt gemeldet, fünf Prozent mehr als ein Jahr vorher.

„Von Berufswahl kann man da nicht mehr sprechen“, meint Detlef Stüwe, Berufsberater beim Arbeitsamt. Schließlich könne sich eine Ausbildungswillige statistisch gesehen nur zwischen 1,2 Lehrstellen entscheiden. Dabei ist heute schon bekannt, daß die deutsche Industrie in einigen Jahren FacharbeiterInnen braucht, die dann fehlen. „Was heute nicht ausgebildet wird, kann später nicht vermittelt werden“, sagt Stüwe.

Verläßt man den trockenen Pfad der Statistik, sieht es etwas besser aus. Bei der Hegemann-Werft zum Beispiel steigt seit Jahren die Zahl der Ausbildungsplätze. Vor allem in den Schreibtischjobs werden von Jahr zu Jahr mehr junge Leute ausgebildet. Die heutigen SchulabgängerInnen von Haupt- und Realschulen oder Gymnasien machen sich nicht mehr gern die Finger schmutzig, geschweige denn, daß sie sich in den Blaumann schmeißen: Die Traumberufe sind seit Jahren im kaufmännischen Bereich.

Auch die Bremer Sparkasse weiß das, und bildet in diesem Jahr wieder rund 80 Bankkaufleute aus. Da der Markt nicht viele hergebe, sei die Sparkasse auf die Auszubildenden angewiesen. Die Werft kann dagegen kaum genug junge Leute für die gewerblichen Berufe finden. Auf zehn freie Ausbildungsplätze an der Werkbank kommen nur rund acht BewerberInnen.

Kein Wunder, daß viele Betriebe ihre Lehrwerkstätten schließen. Die Handelskammer Bremen beobachtet das seit langem. Gerade kleine oder mittelständische Unternehmen könnten sich eine teure Werkstätte mit nur zwei Azubis nicht mehr leisten, früher wurden dort acht oder noch mehr FacharbeiterInnen ausgebildet. „Betriebe kriegen ja auch oft nicht die Leute die sie wollen“, sagt Bernhard Lock von der Handwerkskammer. Die SchulabgängerInnen seien oft schlecht gebildet, könnten sich nicht konzentrieren, seien sozial nicht sehr verträglich.

Das weiß auch Detlef Stüwe. „Selbst dem gutwilligsten Meister platzt irgendwann der Kragen“, wenn der Azubi zum x-ten Mal zu spät komme. Das Arbeitsamt bietet daher Ausgleichsmaßnahmen an, in denen die gröbsten Patzer der Schulen und Elternhäuser ausgebügelt werden. Seitdem die Industrie das Arbeiten im Team entdeckt hat, werden soziale Qualitäten wichtiger.

Stüwe sieht denn auch unter deutschen Unternehmen „eine gewisse Unlust auszubilden“. Die Ausbildungsplätze würden bei vielen Firmen „kleckerweise wegfallen“. Dabei lohnen sich Investitionen in den Nachwuchs. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung ist das Kosten/Nutzen-Verhältnis eines Azubis für eine Firma sehr günstig: Schon im zweiten Lehrjahr verdient das Unternehmen an dem Stift. Vor allem für kleine Betriebe rechnet sich die Lehre. So kostet ein Azubi dort rund 1.700 Mark im Jahr, bringt dem Chef aber über 12.000 Mark in die Kasse.

ufo