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Bunte Lurche im Pool

Grauenhafte Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält – Kapitel V: Das Synchronschwimmen  ■ Vorm TV Albert Hefele

Synchronschwimmen macht aggressiv. Und weist damit auf eines der vielen Geheimnisse der menschlichen Psyche hin. Wenn nämlich im Boxring die Fetzen fliegen und auf dem Spielfeld die Knochen bersten, sitzen wir manierlich auf dem Sitz und nagen an einem Würstchen. Natürlich – der eine oder andere freche Ausruf wird getan, man gestikuliert und gebärdet sich minutenlang wild. Aber in 99 von 100 Fällen walzt man nach Ende der Veranstaltung friedfertig zum Bus. Nach dem Synchronschwimmen geht man heim und verhaut sein Eheweib. Das ist zugegebenermaßen nicht das Ergebnis einer amerikanischen Untersuchung, dafür aber meine felsenfeste Überzeugung.

Wie kommt's? Schließlich handelt es sich beim Einzel- oder Gruppenplantschen auf den ersten Blick um die friedlichste und sanftmütigste aller Sportarten. Was könnte harmloser sein, als in völliger Gleichzeitigkeit und Harmonie durchs azurblaue Wässerchen paddelnde Damen? Gepaart mit wundersam perlender Musik und papageienbunten Badehäubchen. Seht nur, wie sie zierlich die Arme winkeln und mit der wohlgeformten Wade wedeln. Riesenhaften Guppys gleich, rotten sie sich zu Sternen und kreiselnden Wasserrädern. Oft verschwinden sie komplett unter Wasser; dort stehen sie dann auf dem Kopf oder auch nicht, kippen hierhin und dahin, um schlußendlich wieder aufzutauchen. Oder auch nicht. Über allen Wassern ist Ruh'. Besorgniserregend lange für uns kiemenlose menschliche Wesen. Schon entledigen sich die ersten Herren im Publikum ihrer Jacken, um die scheinbar ersoffenen Sportlerinnen zu bergen – da! Da sind sie wieder! Zwar mit leicht gequollenen Augäpfeln und dezenter Blaufärbung ausgestattet – trotzdem: synchronschwimmende Damen scheinen den Sauerstoff leicht entbehren zu können. Geheimnisvoll. Was in den verchlorten Tiefen geschieht, entgeht uns. Wie buntgekleidete Lurche gründeln sie im Pool. Atmen sie gar mit ihren aus den Fluten gereckten Knöcheln? Saugen sie etwa Plankton ein, durch ihre gebleckten Hauer – wie ein Wal durch seine Barten?

Haltbar sind derartige Theorien natürlich nicht, denn die Nixen verfügen sichtlich über mehr als genug richtige Zähne und eine ausreichende Mundöffnung, um damit Luft einzuziehen. Halten wir also fest: auch die Synchronschwimmerin atmet. Daneben benötigt sie ihren Ansaugstutzen allerdings vor allem zum Lächeln. Das heißt, lächeln ist der falsche, weil stark untertriebene Begriff dafür. Sie strahlen, als hätten sie soeben das absolut beglückendste Erlebnis, das man sich vorstellen kann, hinter sich gebracht. Seligen Zierfischlein gleich, rudern sie ekstatisch grienend durchs Becken. Was sich da wohl so abspielt, unter Wasser? Nein, im Ernst, was gibt's zu lachen? Ist es lustig, wenn einem die Luft so knapp wird, daß man kurz davor ist, abzunippeln? Oder führt übermäßiges Synchronschwimmen zum Schwachsinn?

Oder zur Kieferlähmung. Denn wie wir gleich sehen werden, feixen unsere Sportlerinnen nicht nur während der Ausübung ihrer Profession in einem fort – das Lächeln ist ihnen regelrecht eingewachsen. Ein zementierter Bestandteil ihrer Physiognomie. Gehört ständig zum Kopf, wie an den anderer Leute die Ohren. Unbedarfte Beobachter freuen sich mit diesen offensichtlich gut aufgelegten jungen Menschen: „Ob im Wasser, ob aus dem Wasser, immer lustig.“ Wenn sie nicht lustig sind, sind sie gerührt, umarmen sich mit steifem Hinterteil, schwenken ein Fähnchen und – lächeln tapfer. Was ist dagegen zu sagen?

Zum ersten: ich bin durchaus ein Freund des Schwimmsports. Auch der Vorgang des Lächelns als Ausdruck eines positiven Affekts findet meine volle Zustimmung. Sogar gechlorte und blau angemalte Plantschbecken gehen in Ordnung, wenn man von den damit verbundenen dicken Augen absieht. Störend, um nicht zu sagen widerlich, ist die absichtlich herbeigeführte Kombination der genannten Faktoren. Dieses blaue Wässerchen, diese bunt bedreßten Weiber, dieses immerzu präsente Lächeln. Ein rundum gelungener Werbespot für etwas Schmierig- pappiges, eingepackt in aufgeplustertes Goldpapier. Leute, denen so etwas einfällt, patschen jauchzend in die dicken Hände und hüpfen dazu auf der Stelle. Zum Dazwischenhauen!

Womit wir wieder zum Anfang der Betrachtung zurückgekehrt wären. Soviel rundum Hübsches, glucksende Begeisterung Heischendes, macht vernünftig empfindende Menschen aggressiv. Eine Überdosis an Harmonie aktiviert den destruktiven Impuls. Darum muß man jedem wunderschön vom Plakat strahlenden Kopf eine Zahnlücke anmalen und Caroline Reiber eine Warze wünschen. Zu nett, zu rund, zu glatt. Das ist verlogen und verfault, das stinkt zum Himmel. Und so was gehört bekanntlich in den Lokus.

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