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Die Peruaner lieben ihren Führer

Daher wird Alberto Fujimori am Sonntag vermutlich wiedergewählt  ■ Aus Lima Ralf Leonhard

Marta Avalos ist von Perus Präsident Alberto Fujimori überzeugt. „Er hat den Terrorismus besiegt und die Wirtschaft stabilisiert“, erklärt die 20jährige Angestellte eines Fotoladens im Zentrum der Hauptstadt Lima. Deshalb werde er die Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag gewinnnen.

Noch vor wenigen Jahren detonierte in Lima alle paar Tage eine von der Guerilla „Sendero Luminoso“ gelegte Autobombe. Nun ist es ruhiger geworden. Ein „Comandante Feliciano“ predigt zwar immer noch von irgendeinem Versteck im Andenhochland den Volkskrieg, doch Hunderte Mitglieder und Sympathisanten von „Sendero“ haben inzwischen von einem Amnestieangebot Gebrauch gemacht. Die noch aktiven Kommandos der Stadtfront von Lima halten zum seit 1992 inhaftierten „Presidente Gonzalo“, der inzwischen aus seiner Isolationshaft Verhandlungen angeboten hat.

Vor drei Tagen erinnerten Anhänger verschiedener Parteien mit einer Demonstration an das andere markante Ereignis von Fujimoris erster Amtszeit – den 5. April 1992, als der Präsident die Verfassung außer Kraft setzte, das Parlament auflöste, den Obersten Gerichtshof zum Teufel jagte und eine autoritäre Alleinherrschaft institutionalisierte. Doch selbst Fujimoris Gegner konzedieren ihm, daß er die Inflation in Peru von über 7.000 auf zuletzt 13 Prozent gedrückt und das Land in den Augen der internationalen Finanzgemeinschaft wieder salonfähig gemacht hat. „Aber der Arzt, der das Fieber gesenkt hat, ist nicht unbedingt der ideale Mann für die Chirurgie“, meint der in den USA ausgebildete Wirtschaftsprofessor Alejandro Toledo, einer der vier ernstzunehmenden Rivalen Fujimoris, der bestreitet, daß allein die konsequente Fortsetzung der bisherigen Politik den Aufschwung bringt.

Die Wirtschaft ist 1993 um 6,8 Prozent gewachsen, im Vorjahr gar über zwölf Prozent. Doch hat das die Verluste des vorangegangenen jahrelangen Minuswachstums noch nicht kompensiert: Die Industrie produziert jetzt mit 40 Prozent ihrer Kapazität statt mit 30. Fujimori war vor allem daran gelegen, durch pünktliche Erfüllung des Schuldendienstes wieder Gnade bei den internationalen Kreditgebern zu finden. Vom Beginn seiner Amtszeit 1990 bis Mitte 1994 zahlte Peru 2,74 Milliarden Dollar an die Gläubiger. Dennoch wuchsen die Schulden im selben Zeitraum fast um die gleiche Summe, nämlich von 19,76 auf 22,39 Milliarden. Zugleich schrumpfte das in Peru deponierte ausländische Spekulationskapital zwischen Januar und März dieses Jahres um ein Drittel.

Meinungsforschungsinstitute rechnen damit, daß Fujimori am Sonntag die 50-Prozent-Marke überspringt und damit nicht einmal in die Stichwahl muß. Doch „Cambio 90“, Fujimoris im Wahlkampf 1990 gegründete Allianz, hat weder eine solide Struktur noch ein kohärentes Programm. Ihr Programm ist Fujimori. Deswegen prognostizieren die Umfragen übereinstimmend, daß die Regierungspartei bei den ebenfalls am Sonntag stattfindenden Parlamentswahlen die absolute Mehrheit verfehlen wird.

Fujimori hat nichts ausgelassen, um seine Wiederwahl abzusichern. Es begann mit dem neuen Wahlgesetz, beschlossen von der sieben Monate nach dem 92er Putsch gewählten Verfassunggebenden Versammlung, wo „Cambio 90“ dank des Boykotts der großen Parteien die absolute Mehrheit errang. Ohne nennenswerten Widerstand tilgte sie das sonst in Lateinamerika übliche Wiederwahlverbot für amtierende Präsidenten aus der Verfassung. Außerdem wird nun die Prozentzahl nicht mehr auf Grundlage der abgegebenen, sondern nur der gültigen Stimmen ermittelt. Bei 30 Prozent absichtlich oder durch Unkenntnis annullierten Stimmen steigen die Chancen Fujimoris, die 50-Prozent-Marke zu übertreffen, enorm.

Die eigentliche Regierungspartei ist die Armee: Soldaten verteilen Kalender mit Fujimoris Gesicht drauf und erklären den Bedürftigen, die sie mit Lebensmitteln beschenken: „Das kommt von der Regierung. Wählt Fujimori“. Derartiges wurde zuletzt am vergangenen Sonntag im Statteil Chorillos beobachtet. Die Mitglieder der sogenannten „Rondas“, der bäuerlichen Selbstverteidigungskomitees in den Konfliktzonen, wurden in manchen Zonen angewiesen, für Fujimori zu stimmen. Susano Mendoza, Bürgermeister von Quinua bei Ayacucho und Koordinator der Rondas für die ganze Provinz Huamanga, rechtfertigt das: „Nur so kann garantiert werden, daß die erfolgreiche Aufstandsbekämpfungspolitik der Regierung fortgesetzt wird.“

Ein Antrag der Opposition, der dem Präsidenten während des Wahlkampfes die Einweihung von Regierungsprojekten verboten hätte, wurde im Parlament niedergestimmt. Der Kandidat und Staatschef Fujimori eröffnet fast täglich eine Schule, eine Straße oder ein Kraftwerk; zuletzt war es ein Staubecken, das mehr als eine Million Bewohner der Elendsviertel von Lima in Dürrezeiten mit Trinkwasser versorgen soll. Daß in den Provinzen, die bei den letzten Wahlen noch für die Opposition stimmten, die öffentlichen Investitionen besonders forciert wurden, hat sich gelohnt, wie die Umfragen bescheinigen.

Am größten ist Fujimoris Popularität bei der Finanzelite und bei der leicht zu manipulierenden Unterschicht. Gewerkschaften und unabhängige Basisorganisationen, die einst großen Einfluß hatten, wurden in den letzten Jahren systematisch zerschlagen oder unterwandert oder kriminalisiert. Die städtische Mittelschicht und die Intellektuellen sind die natürliche Basis des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Javier Perez de Cuellar, der für eine breite Zentrumsallianz namens „Union für Peru“ antritt. Er verspricht eine sozialere Wirtschaftspolitik sowie die Stärkung des Rechtsstaates und seiner Institutionen. Der fast 75jährige Diplomat ist allerdings in Peru weniger bekannt als im Ausland. Auch folkloristische Massenauftritte zählen nicht zu seinen Stärken – eher rassistische Seitenhiebe auf den japanischstämmigen Fujimori. „Wir Peruaner werden gewinnen“, heißt eine seiner Parolen, die vor dem Hintergrund der berühmten Inkastadt Machu Picchu verkündet wird.

Wenn es einem der dreizehn Oppositionskandidaten gelingen kann, Fujimori eine Stichwahl abzutrotzen, dann ist es Perez de Cuellar. Die Kandidaten der traditionellen Parteien wie Mercedes Cabanillas von der sozialdemokratisch-populistischen APRA oder Raul Diez Canseco von der Mitterechtspartei „Accion Popular“ tragen noch das Stigma der Unfähigkeit, das die katastrophalen Regierungen ihrer Parteigenossen in früheren Zeiten hinterließen. Die einst starke Vereinigte Linke kann sich glücklich schätzen, wenn sie diesmal einen Abgeordneten in das Parlament mit 120 Sitzen schicken kann.

Der Oberste Wahlrat genießt diesmal weit mehr Unabhängigkeit als sein Vorgänger. Dennoch schließen die Oppositionellen Wahlbetrug nicht aus. Denn in den Konfliktzonen – die sich fast über die Hälfte des Territoriums erstrecken – transportiert die Armee die Wahlurnen zur nächstgelegenen Wahlkommission. Beim Referendum im Oktober 1993, als Fujimori seine neue Verfassung absegnen ließ, dauerte das zuweilen mehrere Tage.

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