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„Das Geschlecht ist nicht der springende Punkt“

■ Für Dagmar Diergarten, Mitarbeiterin bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, zuständig für betriebliche Personalpolitik, sind Quoten inakzeptabel

taz: Lediglich 2,5 Prozent aller Positionen im Topmanagement waren 1991 mit Frauen besetzt. Was tut die deutsche Wirtschaft, um da etwas zu verändern?

Dagmar Diergarten: Wir haben vor rund zwei Jahren untersucht, ob sich in der Zeit von 1986 bis 1991 etwas für Frauen verändert hat, die sich in der obersten Tarifgruppe wiederfinden oder außer Tarif bezahlt werden. Es hat sich gezeigt, daß mehr Frauen eingestellt worden sind. Dieser Effekt zeigt sich naturgemäß bei den Dienstleistungsunternehmen stärker als in der Industrie.

Dies ließe sich aber auch mit Maßnahmen forcieren. Im öffentlichen Dienst werden Stellen seit Ende der achtziger Jahre zunehmend quotiert. Die taz hat die Quote seit 15 Jahren, und die Erfahrungen sind nicht schlecht. Die Wirtschaft dagegen lehnt Quoten kategorisch ab. Warum?

Nun, die taz hinzustellen und zu sagen: Seht her, Quoten funktionieren, wäre zwar eine Möglichkeit. Aus betrieblicher Sicht gibt es aber erhebliche Bedenken. Bei Personalauswahlentscheidungen geht es nicht um die Frage Mann oder Frau, sondern um andere, anforderungsrelevante Kriterien. Entscheidend ist, was vom qualifikatorischen Profil her für die Stelle mitgebracht wird.

Aber Qualifikation ist stets mit der Quote gekoppelt. Ich kenne keinen Quotierungsbeschluß, der besagt, grundsätzlich sind erst einmal Frauen einzustellen, auch wenn sie schlechter sind. Es heißt immer, bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt.

Nichtsdestotrotz ist eine solche formale Vorgabe eine Einschränkung. Bei der Personalauswahl darf das Geschlecht nicht der springende Punkt sein. Bei ihr geht es darum, ein gut ermitteltes Anforderungsprofil mit dem Eignungsprofil eines Bewerbers in Abgleich zu bringen. Ich habe fünf Jahre lang Personalauswahl betrieben, insofern weiß ich, wovon ich spreche. Außerdem kann man mit Quoten insbesondere in Berufen, die klassischerweise von Männern ausgeübt werden, dem Grundproblem nicht beikommen. Mit Quoten verändere ich nicht das Ausbildungswunschverhalten, damit verändere ich nicht das Berufswahlverhalten von Frauen. Und ich verändere auch nicht die Vorbehalte, die es noch immer gegen Frauen geben mag.

Das wäre noch die Frage. Ich denke, bei Personalentscheidungen spielt es immer eine Rolle, ob Frau oder Mann. Immerhin kann eine Frau, zumal eine junge Frau, noch Kinder bekommen.

Da gibt es Argumente, die man in solchen Entscheidungsfindungsprozessen dagegenhalten muß. Die Verweildauer von Frauen und Männern in Unternehmen wird weniger von der Tatsache geprägt, daß möglicherweise eine Mutterschaft ins Haus steht. Fluktuation kommt aus vielerlei Gründen zustande. Auch junge Männer wechseln schon mal das Unternehmen. Von daher gibt es, rein statistisch gesehen, nicht diese Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Ganz abgesehen davon bleibt eine gut ausgebildete Frau, selbst wenn sie schwanger wird, dem Unternehmen erhalten. Es gibt ja eine Reihe von Möglichkeiten, wie man Familienphasen sinnvoll gestalten kann, und zwar sowohl für die berufstätige Mutter als auch für das Unternehmen.

Natürlich, und dennoch sind Frauen in den Führungsetagen äußerst selten zu finden. Da hilft letztlich wohl auch der Wirtschaft nur noch die Quote.

Nein, mit Quoten verändere ich nicht die klassische Rollenaufteilung von Mann und Frau. Mit solchen formalen Zwängen kann auch viel Porzellan zerschlagen werden, und zwar bei denen, die man eigentlich ins Boot kriegen muß. Niemand ist mit diesem formalen Muß zu überzeugen. Man tut etwas, weil jemand sagt, man soll bitte schön nicht die Finger auf die heiße Herdplatte legen. Wenn Sie abfällige Stimmen über das Stichwort Quoten vernehmen, dann resultiert das aus dieser Zwangssituation. Interview: flo

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