piwik no script img

Dem Kanarienvogel das Futter geklaut

■ Deutsche essen nicht einmal ein Viertel der empfohlenen Jodmenge / Ernährungsberater raten zu Seefisch und Jodsalz

Eßt mehr Fisch! Diese Aufforderung stammt nicht von Verleihnix, dem streitlustigen Fischhändler der Asterix-Comics. Zu mehr Seefisch raten vielmehr Ernährungsberater, die sich um den Jodhaushalt der Deutschen sorgen. Denn die essen im Durchschnitt nicht einmal ein Viertel der empfohlenen Menge: Etwa 200 Mikrogramm gelten als Richtwert für den Tag. „Dieser Wert wird aber von den meisten bei weitem nicht erreicht“, ist sich Semra Köksal, Ernährungsberaterin der AOK Berlin, sicher: „Nur 50 bis 70 Mikrogramm Jod nehmen die Bundesbürger im Durchschnitt mit dem Essen auf.“

Der Jodgehalt in Gemüse hängt vor allem vom Boden ab. In Meeresnähe ist er erheblich jodreicher als im Gebirge. Dort war früher die typische Mangelerscheinung, der übergroße Kropf, weitverbreitet. Die Schilddrüse könne ohne Jod nicht genügend Hormone produzieren und vergrößere ihr Gewebe, erklärt Christoph Römer diesen Vorgang. Der ernährungswissenschaftliche Berater der Berliner Verbraucherzentrale rät daher wie Semra Köksal zu Seefisch.

Dreck und Schwermetalle fänden sich vor allem in Küstenregionen, tritt er Vorbehalten entgegen, „Seefisch kommt meistens aus der Hochsee und ist daher nicht so belastet“. Seelachs, Scholle und Meeresfrüchte könnten daher empfohlen werden. Einig sind sich die Ernährungsfachleute auch, daß im Haushalt nur noch jodiertes Speisesalz benutzt werden sollte.

Einen richtigen Boom für Jodsalz und sogar Jodtabletten gab es bislang nur nach dem Super-GAU von Tschernobyl: „Natürlich hilft Jod nicht gegen radioaktive Strahlung“, so Römer. Bei dem Unfall sei jedoch unter anderem verstrahltes Jod freigesetzt worden. Und wenn ein Körper Jodmangel habe, „nimmt er natürlich mehr davon auf“. Damals, übertreibt Römer lachend, „haben die Leute ihrem Kanarienvogel sein Trill weggegessen“. Christian Arns

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen